Schutzmasken tragen laut Ärzten mit dazu bei, die Infektionswege wirksam zu stoppen. Foto: Rath

Wie der Corona-Abstrich-Arzt Wolfgang von Meißner den ersten Massentest bewertet. 

Kreis Freudenstadt - Beim ersten Corona-Massentest im Landkreis Freudenstadt unter allen Mitarbeitern von Pflegeeinrichtungen wurde gerade mal ein Infekt festgestellt – bei rund 1250 Einzeluntersuchungen. Das klingt fast zu schön, um wahr zu sein. Wir sprachen mit Wolfgang von Meißner, Arzt der zentralen Corona-Abstrichpraxis in Baiersbronn, über das Resultat. Das Ergebnis überrascht ihn nicht. Stutzig macht den Mediziner etwas ganz anderes.

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Herr von Meißner, ein einziger Corona-Nachweis beim Test aller Mitarbeiter von Pflegeheimen und -diensten im Landkreis – kann das sein?

Wir freuen uns sehr über dieses Ergebnis. Das Landratsamt, das Gesundheitsamt und die Ärzteschaft im Landkreis arbeiten eng zusammen. Wir haben in den vergangenen Wochen schon bei Verdachtsfällen großangelegte Abstrichaktionen in einigen Einrichtungen vorgenommen. Das Gesundheitsamt und die Heimaufsicht haben gemeinsam mit den Betreibern schnell die richtigen Maßnahmen ergriffen.

Ist das eine Momentaufnahme oder eine Entwarnung?

Leider ist dies nur eine Momentaufnahme. Wir müssen weiter Abstand halten, Maske tragen und die Hygieneregeln befolgen.

Gab es auch Antikörper-Tests, um nachvollziehen zu können, wie viele Mitarbeiter eine Infektion bereits hinter sich haben?

Im Rahmen mehrerer Beobachtungsstudien in Zusammenarbeit mit der Universität Lübeck haben wir bei mehr als 400 Mitarbeitern von Pflegediensten, Praxismitarbeitern und Patienten auch Antikörper bestimmt.

Wie lautet das Ergebnis?

Das Ergebnis ist ernüchternd. Von unseren Patienten haben gerade einmal 15, die nie einen positiven Abstrich hatten, Antikörper gebildet. Bei zwölf waren wir uns aber sicher, dass sie erkrankt gewesen sein mussten, da die Symptome gepasst haben. Nur bei drei Infizierten, die von ihrer Erkrankung gar nichts gewusst hatten, wurden die positiven Antikörper entdeckt. Damit ist klar, dass eine unbemerkte Durchseuchung sehr unwahrscheinlich ist. Die Aussagekraft der Antikörper ist aktuell nicht klar. Bisher können wir nur feststellen, ob jemand an Covid-19 erkrankt war. Ob und wie lange eine mögliche Immunität anhält, ist völlig unklar. Bei der saisonalen Grippe sollte man sich auch jährlich impfen lassen, da es keine dauerhafte Immunität gibt.

Welche Schlüsse lassen sich aus dem Massentest in einem einigermaßen abgeschlossenen System wie einem Seniorenheim ableiten?

Durch konsequentes Einhalten der Hygienevorgaben kann die Pandemie bekämpft werden. Das Problem ist aber das "abgeschlossene System". Die Abschottung kann nicht zum Dauerzustand werden. Wir haben auch wieder damit begonnen, Heim- und Hausbesuche durchzuführen. Natürlich mit den entsprechenden Schutzmaßnahmen.

Vor ein paar Wochen noch grassierte Covid-19 in einer Reihe von Pflegeheimen im Kreis. Offenbar scheint es ja möglich zu sein, die Ausbreitung der Infektion zu stoppen. Was war Ihrer Einschätzung nach der Weg? Desinfektion, Mundschutz, Hygiene oder Isolation?

Die konsequente Umsetzung aller genannter Maßnahmen hat zu einer erfolgreichen Unterbrechung der Infektionskette geführt.

Im Kreis sind bislang 37 Menschen gestorben, ob nun mit oder an Corona. Systematische Untersuchungen der Ursachen gab es offenbar nicht. Sehen Sie dennoch so etwas wie Parallelen, etwa was Alter, Vorerkrankungen, Behandlung oder andere Umstände angeht?

Die von uns betreuten verstorbenen Patienten waren tatsächlich überwiegend älter und vorerkrankt. Allerdings beobachten wir auch schwere Verläufe bei einigen unserer jüngeren Patienten. So ist es nicht klar, ob einige Patienten in meinem Alter ohne Folgeerkrankungen wieder genesen.

Jetzt starten die Massentests unter den Bewohnern der Seniorenheime. Welches Ergebnis erwarten Sie?

Wir hoffen auf ein ähnlich gutes Ergebnis wie bei den Mitarbeitern. Sollten wir einen positiven Fall entdecken, sind wir alle gut vorbereitet und können schnell reagieren. Bei auftretenden Symptomen werden natürlich unverzüglich und unabhängig von den Massentests gezielt Abstriche genommen.

Vor einen Vierteljahr brachten auch Skiurlauber aus Tirol die Krankheit in den Kreis Freudenstadt, für örtliche Verhältnisse fast schon massenhaft. Der Virologe Alexander Kekulé erklärte in einer Fernsehdebatte am Montag, er freue sich schon auf seinen Tauchurlaub in Ägypten. Planen Sie auch Ferien und wohin geht die Reise?

Vielleicht klappt es im Juli mit einer kleinen Reise in unserem Wohnmobil durch Deutschland. Falls die Fallzahlen wieder extrem steigen sollten, bleiben wir natürlich zu Hause und arbeiten. Meine Frau im Krankenhaus und ich in der Praxis. 

Info: Infektionen im Kreis

Am Mittwoch wurden dem Landratsamt erneut keine Neuinfektionen gemeldet, somit bleibt es in der offiziellen Statistik bei insgesamt 572 Personen, die seit Beginn der Pandemie im Landkreis Freudenstadt positiv auf eine Infektion mit dem Coronavirus getestet wurden. Davon wurden 512 Personen zwischenzeitlich aus der Quarantäne entlassen. Insgesamt 37 Menschen aus dem Landkreis, die positiv auf eine Infektion mit dem Coronavirus getestet wurden, verstarben.