Calw-Hirsau - Nach jahrelangen zähen Verhandlungen ist es jetzt soweit: Der Zweckverband Hesse-Bahn mit dem Landkreis Calw an der Spitze und der Naturschutzbund NABU haben sich unter Vermittlung von Verkehrsminister Winfried Hermann bei der Fledermausfrage geeinigt. Ein vor einem Tunnel der Strecke unterzeichneter Vertrag stellt jetzt die Signale für das 50-Millionen-Verkehrsprojekt Hesse-Bahn auf Grün.

Die über Monate, wenn nicht sogar Jahre ungeklärte Fledermausfrage in den Tunneln der geplanten Hermann-Hesse-Bahn schwebte wie ein Damokles-Schwert über dem "wichtigsten Verkehrsinfrastrukturprojekt im Landkreis Calw", wie Landrat Helmut Riegger die Hermann-Hesse-Bahn gerne bezeichnet. Hätte man sich mit dem Naturschutzbund NABU, der eine Klage gegen das Projekt angestrengt hat, nicht geeinigt und hätte man die Fronten vor Gericht klären müssen, dann wäre das vermutlich das Ende des Projekts gewesen. Das sieht auch Verkehrsminister Winfried Hermann so.

Doch dieses Szenario wird nicht eintreffen. Die Einigung mit den Naturschützern ist da, die nach der Unterzeichnung eines öffentlich-rechtlichen Vertrags zwischen Zweckverband Hesse-Bahn und NABU am Montag am Hirsauer Tunnel angekündigt haben, ihre Klage schnellstmöglich zurückzuziehen.

Verkehrsminister Winfried Hermann, der die Vermittlung zwischen den beiden Parteien übernommen und mit dem Engagement von professionellen Moderatoren forciert hatte, sprach am Montag in Calw-Hirsau von einem "historischen Tag nicht nur für den Landkreis Calw". Die in den Vertrag gefasste Einigung sei die allererste ihrer Art und sie zeige, dass Artenschutz und Verkehrspolitik zusammen kommen können, dass man den Ausbau klimafreundlicher Mobilität voranbringen kann, ohne Natur- und Artenschutz zu missachten. "Der Vertrag schützt die Fledermäuse und schafft für die Bürger in der Region um Calw eine gute Schienenverbindung in den Raum Stuttgart", sagte Hermann in Hirsau.

Er erinnerte sich daran, dass ihn Landrat Helmut Riegger vor vielen Jahren einmal zum Radeln an der Strecke eingeladen hatte. "Damals dachte ich: Das wird schwierig, aber machbar." Er habe sich zunächst um die Finanzierung gekümmert, die vor gut fünf Jahren in trockenen Tüchern war.

Doch die in den auf der Strecke befindlichen Bestandstunneln entdeckten streng geschützten Fledermäuse – man geht von einer Zahl zwischen 800 und 1000 aus – sollten sich als das größere Problem für eine Realisierung des Projekts entpuppen. Naturschutzverbände, allen voran der NABU, wurden auf das Projekt und das Problem aufmerksam. Um die Belange der Fledermäuse zu schützen, reichte der NABU sogar Klage gegen das Bahnprojekt ein.

Als die Verhandlungen zwischen Landkreis und Naturschützern stockten, schaltete sich erneut Verkehrsminister Hermann ein, bot sich als Vermittler an. Schließlich sorgte er sogar für professionelle Moderatoren, die helfen sollten, in der verfahrenen Situation weiter zu kommen. "Das war schon ein schwieriger Prozess, bei dem man an manchen Stellen schon ernste Zweifel bekommen konnte, ob man die unterschiedlichen Interessen zusammenbringen konnte", erinnert sich der Minister.

"In drei Jahren werden wir wieder hier stehen"

Den Durchbruch brachte eine innovative Idee, die jetzt auch tatsächlich zum Tragen kommt: die so genannte "Kammerlösung". In den Tunneln und ein Stück weit am Tunnelportal werden Trennwände zwischen der Bahnstrecke und dem für die Fledermäuse vorgesehenen Rest des Bauwerks eingezogen. Zwei Sommer lang habe man geprüft, ob die Idee etwas tauge, so Hermann. Mit Erfolg.

Im Vorfeld der Unterzeichnung des Vertrags bekannte sich der Minister ausdrücklich noch einmal zum Projekt an sich ("Wir brauchen diese Bahn unbedingt") und zum mit Kommunen aus dem Kreis Böblingen vereinbarten Zwei-Stufen-Modell. Die Hesse-Bahn werde in der ersten Stufe mit sauberen Dieseln fahren und in der zweiten Stufe "klimaneutral" – ob nun mit Brennstoffzelle oder als S-Bahn. Auf die Frage, warum man nicht sofort auf die S-Bahn setze, stellte der Minister klar, dass das Projekt dann noch Jahre länger bis zur Realisierung brauchen würde.

Zufrieden mit dem gefundenen Kompromiss zeigte sich auch NABU-Landeschef Johannes Enssle. Für den habe man über den eigenen Schatten springen müssen. Aber wenn die "weltweit einmalige Kammerlösung" funktioniere, dann "werden Experten aus aller Herren Länder hierher kommen und sie in Augenschein nehmen", so Enssle, der das vereinbarte Artenschutzkonzept als "Kompromiss für Mensch und Natur" bezeichnete, den der NABU mittrage. Es sei nie Ziel des NABU gewesen, die Hermann-Hesse-Bahn zu verhindern", betonte der Vertreter des Naturschutzverbandes in Hirsau ausdrücklich.

Ein Tag der Freunde war die Vertragsunterzeichnung natürlich auch für Calws Landrat Helmut Riegger. Auch weil die Politik damit zeige, dass sie nicht nur rede, sondern auch handle. Die Hesse-Bahn sei die zwingend nötige Verbindung des ländlichen Raums mit der Metropole Stuttgart – und dazu noch ein ökologisches Projekt. Die Hesse-Bahn spare 225 000 Pkw-Fahrten und 5,2 Millionen Pkw-Kilometer pro Jahr. Dazu liege die Einsparung an Kohlendioxid im Dieselbetrieb bei 500 000 Tonnen im Jahr.

Er dankte Verkehrsminister Hermann für dessen "tolle Unterstützung für das Projekt von Beginn an". Das sei "beispiellos". Allerdings verhehlte er nicht, dass der Verhandlungen "uns an unsere Grenzen gebracht haben". Es sei eine "harte Zeit" gewesen. Doch nun habe man mit dem NABU zusammengefunden. Jetzt wolle man sich schnell ans Werk machen, schnell mit den Arbeiten beginnen, so Riegger. In Bälde kann man die Arbeiten für den neuen Tunnel ausschreiben. Parallel beginnt man mit Hangsicherungsmaßnahmen im östlichen Voreinschnitt des Tunnels "Forst", während die Arbeiten an den Widerlagern der Brücke Heumaden demnächst abgeschlossen sein werden.

Landrat und Zweckverbandsvorsitzender Riegger hat derweil schon einen Termin für die erste Fahrt der Hermann-Hesse-Bahn im Blick: "In drei Jahren werden wir wieder hier stehen und den Start der Hessebahn feiern", sagte er am Montagvormittag.

Kommentar: Mit Geduld

Von Sebastian Bernklau

So manch einer glaubte fast schon, dieser Tag würde nie kommen, der Tag der Einigung zwischen Landkreis und dem Zweckverband Hessebahn auf der einen und dem Naturschutzbund NABU auf der anderen Seite. Seit Montag wissen wir, dass Fledermäuse und Hessebahn koexistieren können und werden. Die Einigung der beiden Parteien ist Realität. Und sie ist der Beharrlichkeit und Geduld der an dem Prozess Beteiligten geschuldet: Der Geduld des Landrats, der Geduld nicht gerade als seine große Stärke bezeichnet. Der Beharrlichkeit seiner führenden Mitarbeiter, Dezernent Andreas Knörle und Michael Stierle. Der Geduld des Kreistags, der stets zum Projekt gestanden hatte. Und der Nibelungentreue, mit der Verkehrsminister Hermann das Vorhaben förderte. Sie alle haben gezeigt, dass Geduld und langer Atem auch und gerade in schnelllebigen und hektischen Zeiten wie diesen große politische Tugenden sind, die zum ersehnten Ziel führen.