Nach jahrelangem Missbrauch seiner Stieftochter wurde ein Mann vom Landgericht Tübingen zu einer dreieinhalbjährigen Haftstrafe verurteilt. (Symbolfoto) Foto: M. Bernklau

Angeklagter schweigt bis zum Schluss. Junge Frau schildert Situationen glaubhaft.

Tübingen/Kreis Calw - Die 2. Große Strafkammer des Landgerichts Tübingen hat einen 46-Jährigen wegen sexuellen Missbrauchs seiner Stieftochter zu einer Haftstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt.

Die fünf Richter blieben damit unter der von Staatsanwältin Rotraud Hölscher und Nebenklagevertreter Rainer Reichle geforderten Strafe. Sie hatten auf fünf Jahre Haft plädiert.

Ausschlaggebend dafür war, dass es sich um viele Taten in einem langen Zeitraum handelte. Angeklagt waren 199 Fälle, von denen konkret indes nur zehn zeitlich und örtlich zu untermauern waren. Wie berichtet, hatte Verteidiger Alexander Betz deshalb die Einstellung des Verfahrens und in seinem Plädoyer zudem Freispruch für den Angeklagten beantragt. "Die vielen Anträge haben das eigentliche Thema ein Stück weit in den Hintergrund verdrängt", resümierte bei der Urteilsverkündung die Kammer, folgte aber den Ausführungen der Sachverständigen Marianne Claus zur Beurteilung der jungen Frau. Sie hatte die Aussagen des heute 21-jährigen Opfers als absolut glaubhaft eingestuft. Außerdem sei es normal, dass sich die Geschädigte ob der Vielzahl von Taten nicht genau an Zeiten und Orte erinnere, zumal viele ähnlich abliefen, so die Vorsitzende Richterin Mechthild Weinland.

Über fünf Jahre hinweg hatte der 46-jährige Angeklagte das Mädchen zwischen dem 13. und 18. Lebensjahr missbraucht, bis hin zum Geschlechtsverkehr. Der ermittelnde Kriminalbeamte hatte berichtet, dass der Beschuldigte die Arbeitszeit der Mutter dafür nutzte. Zu ihr hatte das Mädchen ein weniger gutes Verhältnis als zum Stiefvater. Und das habe er ausgenutzt, so die Überzeugung des Gerichts.

Mutter gab ihr die Schuld

Etliche Situationen habe die junge Frau so identisch und auch konstant geschildert, dass daran kein Zweifel gehegt werden könne, erinnerte die 2. Große Strafkammer nicht zuletzt an das Geschehen im Ferienhaus im Allgäu, bei dem auch die Mutter den Missbrauch bemerkte. "Spätestens da hatte meine Mandantin die Hoffnung, dass der Missbrauch ein Ende habe, stattdessen gab die Mutter ihr mehr oder weniger die Schuld dafür", fasste Reichle zusammen.

Da der Angeklagte bis zum Schluss des Prozesses schwieg, war es den Richtern nicht möglich, ihn kennenzulernen, wie Weinland sagte. Zugute kam dem Beschuldigten bei der Strafzumessung, dass er bisher ohne Vorstrafen blieb.