Bei der Vollbremsung heißt es, schnell zu reagieren und kräftig in die Pedale zu treten. Eine Übung, die oft wiederholt wird, um in Gefahrensituationen keine Hemmungen zu haben. Foto: Brändle

Kreisverkehrswacht reagiert mit Zusatz-Angebot auf Unfallserie. Konzentration schärfen.

Nordschwarzwald - Neun Unfalltote meldet die Polizei im noch jungen Jahr 2012 bisher im Kreis Calw. Das sind bereits jetzt mehr als im gesamten Jahr 2011. Ob als Verursacher oder unschuldig vom Gegenverkehr überrascht, meist entscheiden Sekundenbruchteile über den Unfallverlauf   – ein Punkt, an dem die Kreisverkehrswacht Calw mit ihrem Fahrsicherheitstraining ansetzt.

Ich bin ganz offen, beim Autofahren bin ich unsicher. Die vielen Unfälle binnen weniger Wochen machen nachdenklich und jagen gehörig Angst ein. Sicherlich kennt jeder diese Verkehrssituationen, in denen man im Nachhinein denkt: "Das hätte auch schiefgehen können." Meistens kommt man mit dem Schrecken davon. Aber was wäre, wenn mein Schutzengel mal keinen guten Tag hat? Auf diese Momente will ich bestmöglich vorbereitet sein.

"Fahrsicherheit kann man trainieren", weiß Dieter Burghardt von der Kreisverkehrswacht Calw. Seit vielen Jahren leitet er zusammen mit Gerhard Köhle Fahrsicherheitstrainings für Auto- und Motorrad-Fahrer.

An diesem Samstagmorgen stehe ich mit 13 weiteren Teilnehmern auf dem Gelände der Firma Gebrüder Schuon Logistik in Haiterbach und blicke nervös auf die Gleitfläche. "Zuerst lernen wir das Lenken, dann Bremsen und zum Schluss die Kombination Lenken/Bremsen", leitet Dieter Burghardt den theoretischen Teil ein. Zunächst besprechen wir die optimale Sitzposition im Auto, nach einigen Testrunden geht's mit den Übungen los. Bei vorgegebener Geschwindigkeit sollen wir die Hütchen auf verschiedenen Untergründen umfahren. Wo einige Autos schon im wahrsten Sinne des Wortes ins Schleudern geraten, hält sich mein Auto sicher auf der Gleitfläche, die Aquaplaning simulieren soll. "Sie sind nichtmal ansatzweise aus der Bahn geraten", ermutigt mich Gerhard Köhle, der bei jeder Übung ein wachsames Auge auf die Fahrer hat und den Schützlingen zusammen mit Kollege Burghardt nach der Fahrt Rückmeldung gibt.

"Wichtig ist, dass ihr alles selbst erfahrt"

Zwischen den Übungen sprechen die Trainer die Situationen immer wieder mit uns durch, weisen auf Gefahren hin und zeigen auf, wie sich unterschiedliche Fahrverhalten auswirken. Burghardt: "Wichtig ist, dass ihr alles selbst erfahrt" – wieder ein sehr treffendes Wortspiel –, "denn daraus ergeben sich eigene Erkenntnisse und Fragen."

Fürs Thema Beladungssicherheit nimmt sich Gerhard Köhle bei einer Kaffeepause Zeit. Er selbst ist verantwortlich für Beladungssicherheit bei der Firma Schuon Logistik und erklärt eindringlich, dass selbst eine 20 Gramm leichte CD-Hülle bei einem Aufprall das 20-fache ihres Gewichts entwickelt und zur Gefahr werden kann. Deshalb: Alle Gegenstände sicher verstauen, bestenfalls unter dem Fahrersitz. "Damit ist es auch aus der Sichtweite und kann beim Fahren nicht ablenken", nennt der Fachmann einen weiteren Aspekt.

Nachdem eine junge Fahrerin eine technische Frage gestellt hat, flüstert sie peinlich berührt: "Das hat man mir schon so oft erklärt, ich werd' es nie kapieren." Damit spricht sie mir aus der Seele. Trainer Burghardt nimmt ihr die Hemmungen: "Die Autos sind heutzutage mit so viel Technik ausgestattet, da muss man nicht über jedes Detail Bescheid wissen. Wichtig ist nur, die Vorteile von ABS und ESP zu kennen und im Ernstfall richtig einzusetzen."

Genau diese Tatsache bereitet mir Bauchschmerzen. Hier auf dem Übungsgelände bin ich auf die Gefahrensituation eingestellt, Experten sagen mir, was zu tun ist und niemand kann sich verletzen. Im Fahr-Alltag jedoch sieht das anders aus. Da gerate ich plötzlich auf eine Schneeverwehung, ein Kind rennt auf die Straße oder ein Entgegenkommender überholt gefährlich. Aus dieser Schocksituation heraus richtig zu reagieren, ist sehr schwer – das weiß ich aus eigener Erfahrung. Im Laufe des Tages ergibt das Wort "Training" aber dann auch seinen Sinn. Jeder kann die Übungen wiederholen so oft er will. Solange, bis wir die Reaktion von uns und unseren Autos kennen und sich das richtige Verhalten eingeprägt hat. Ich merke, wie ich immer mutiger werde. Da entwickelt sich also langsam ein Sicherheitsgefühl, und ich denke mir: "Jetzt will ich alles ausprobieren und die Grenzen meines Autos testen."

Eine Vollbremsung ist die nächste Herausforderung. Voll in die Pedale zu treten, kostet anfangs schon Überwindung. Heutzutage üben Schüler die Vollbremsung schon in der Fahrschule – so soll ihnen die Angst davor genommen werden. "Fahranfänger denken noch nicht soviel nach – diesen Vorteil muss man nutzen", weiß Dieter Burghardt. Eine Tatsache, die mir auch während des Trainings auffällt. Die Jüngeren können die Theoriefragen auf Anhieb beantworten, wissen jedoch oft nicht, was das in der Praxis bedeutet. Ältere Fahrer haben deutlich mehr Praxiserfahrung und reagieren aus dem Gefühl heraus.

Nach sechs Stunden Training lässt die Konzentration bei mir und auch bei den anderen Teilnehmern deutlich nach. Das fällt auch Dieter Burghardt auf. Mit einer letzten Übung will er alltägliche Gefahren simulieren. "Jetzt fühlen Sie sich etwa so wie nach einem achtstündigen Arbeitstag. Auf dem Heimweg müssen Sie aber trotzdem voll konzentriert sein." Dann folgt eine echte Herausforderung: Statt einige Hütchen steht da plötzlich ein Mensch auf der Strecke, dem es auszuweichen gilt. Gerhard Köhle gibt sich als unberechenbare Person, erst im letzten Moment gibt er mir ein Zeichen, in welche Richtung ich ausweichen muss. Plötzlich bin ich wieder voll konzentriert und habe Respekt vor Geschwindigkeit und Gewicht meines Autos. Eine perfekte letzte Übung.

Weitere Informationen:

Noch bis Oktober bietet die Kreisverkehrswacht regelmäßig Sicherheitstrainings für Pkw und Motorrad an. Am 28. April wird ein spezielles Training für junge Fahrer angeboten. Informieren und anmelden kann man sich unter www.kvw-cw.de.