Dass Saskia Esken nun in einer Reihe mit Willy Brandt, Oskar Lafontaine und Gerhard Schröder genannt werde, darauf dürfe man im Landkreis und im Kreistag stolz sein, sagte Landrat Helmut Rieger bei ihrer Verabschiedung. Foto: Landkreis

SPD-Parteivorsitzende macht Platz für Klemm. Ehrenamt aus Zeitgründen niedergelegt.

Kreis Calw - Auf Bundesebene mag sie als SPD-Parteichefin selbst bei den eigenen Genossen nicht unumstritten und von der Journaille wegen angeblicher Führungsschwäche förmlich verrissen worden sein. Auf lokaler Ebene genießt sie dafür umso mehr die "warmen Worte", mit der ihre gewichtige Stimme in Berlin gepriesen wird. Wie jetzt bei ihrer Verabschiedung aus dem Kreistag. Sie macht Platz für einen Nachfolger, der ihr etwas voraus hat.

Ende nach elf Jahren

Landrat Helmut Riegger streifte sich trotz der sommerlichen Hitze, die sich im Spiegelsaal des Bad Liebenzeller Kurhauses staute, das Jackett nochmals über, zog die Krawatte zurecht und schreitete aus diesem feierlichen Anlass zum eigens herbeigeschleppten Rednerpult. Eine Parteichefin verabschiedet man schließlich nicht jeden Tag.

Und es bedarf auch gewichtiger Gründe, dass man ein solches Ehrenamt als Kreisrat an den Haken hängen darf. Die 58-jährige SPD-Abgeordnete aus dem Kreis hat gleich deren zwei. Nach der Landkreisordnung muss man mindestens zehn Jahre dem Kreistag angehört haben, um seine Demission einreichen zu können. Esken ist seit elf Jahren dabei. Und sie gab als zweiten Grund ihre Wahl zur Parteivorsitzenden der SPD an. Im Dezember vergangenen Jahres hatte sich die SPD-Abgeordnete aus dem Wahlkreis bekanntlich im Duo mit Walter Borjans überraschend gegen Vize-Kanzler Olaf Scholz und Klara Geywitz durchgesetzt. Aber nach einem halben Jahr als Chefin im Willy-Brandt-Haus reifte bei ihr der Entschluss, das Kreistagsmandat niederzulegen. Auch wenn ihr diese Entscheidung "nicht leicht gefallen" sei, weil man in der Kommunalpolitik "nah dran", ja "mittendrin" sei, sagte sie. Aber mit ihren Verpflichtungen als Parteivorsitzende könne sie dem Ehrenamt nicht mehr gerecht werden, argumentierte sie. Dafür fehlt ihr schlichtweg die Zeit.

Debattenkultur bewundert

An ihrer letzten, nahezu vierstündigen Sitzung nahm sie gleichwohl von der ersten bis zur letzten Minute teil, ohne sich zu Wort zu melden, aber um sich dafür später über die angeregte Debattenkultur zu wundern: "Wow!". Der Kreistag akzeptierte die Demission einstimmig.

In Zeiten von Corona richtete Esken einen letzten Appell an ihre Kreistagskollegen, bei den Investitionen in die Infrastruktur nicht zögerlich zu sein: "Nicht zaudern, sondern jetzt investieren", sagte sie, "damit hier das Leben lebenswert bleibt".

Landrat Helmut Riegger dankte der scheidenden Kreisrätin für ihr Engagement. Dass Esken nunmehr in einer Reihe mit Willy Brandt, Oskar Lafontaine und Gerhard Schröder genannt werde, "darauf darf man im Landkreis und im Kreistag stolz sein".

Fraktionskollege Dieter Dannenmann befand in seiner Laudatio mit Blick auf Eskens Karriere, dass die SPD-Fraktion im Kreistag wohl eine "kleine Kaderschmiede" sei: "Bei uns kann man weiterkommen." In den Kreis der Genossen kommt jetzt ein alter Bekannter zurück: Erich Klemm, der von 2014 bis 2019 schon einmal diesem Gremium angehörte, rückt für Esken nach. Und die 58-Jährige weiß um die Vorzüge des früheren Betriebsratschefs bei Daimler: "Er hat mir in punkto Gelassenheit wahnsinnig viel voraus."