Ein breites Bündnis aus verschiedenen politischen und gesellschaftlichen Initiativen und Verbänden im Kreis Calw sagt entschieden »JA zum Ausstieg« aus dem Milliardenprojekt S21. Foto: privat

Breites Bündnis sagt "Ja zum Ausstieg". "Gefahren für den gesamten Nordschwarzwald".

 
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Kreis Calw - Ein breites, in diese Form bisher einmaliges Bündnis aus gesellschafts- und umweltpolitischen Akteuren im Kreis Calw spricht sich für den Ausstieg des Landes Baden-Württemberg aus dem Projekt Stuttgart 21 aus.

Vertreter des BUND, der Calwer Obenbleiber, der Linken, des NABU und von Bündnis 90 / Die Grünen, der Initiative »SPD-Mitglieder gegen S21« sowie weiterer Initiativen werben dafür, kommenden Sonntag das Kreuzchen bei »JA« zu setzen. Das Projekt Stuttgart 21 hätte Nachteile für den gesamten Nordschwarzwald, darin sind sich die Bündnispartner einig.

Viel diskutiert wurde in den vergangenen Wochen über die Finanzierung. Johannes Schwarz, Fraktionssprecher der Grünen im Calwer Kreistag: »Insgesamt stammen mehr als 650 Millionen Euro aus der Finanzierungsvereinbarung aus Töpfen, die eigentlich für Regional- und Nahverkehrsprojekte vorgesehen sind. Dieses Geld kann nicht zweimal ausgegeben werden und steht folglich nicht mehr für andere Projekte, wie beispielsweise die Verlängerung der S6 Calw-Weil der Stadt zur Verfügung.«

Für die Menschen im Nordschwarzwald spielten heute die S-Bahn-Anbindungen von Weil der Stadt und Herrenberg die entscheidende Rolle, um nach Stuttgart zu kommen. Norman Kaminski von den Calwer Obenbleibern: »Die Stresstestbewertung ergab eindeutig, dass das gesamte S-Bahn-Netz durch Stuttgart 21 stärker belastet und störungsanfälliger wird, als es bisher der Fall war.«

Gutachter seien zu dem Schluss gekommen, dass die S-Bahn-Stammstrecke nahe an einem kritischen Zustand sei. Es werde dort auch auf Unklarheiten verwiesen, explizit auch durch die neue S 60, also exakt im Bereich der S6, die für viele aus der Region die Anbindung an Stuttgart sei.

»Insofern ist klar zu befürchten, dass diejenigen, die zukünftig via S-Bahn Stuttgart erreichen müssen, besonders von den Kapazitätsschwierigkeiten des neuen Tiefbahnhofs betroffen sind«, so Kaminski weiter.

Ein weiteres Argument der Projektbefürworter führe in die Irre: Die Region rücke durch S21 näher an Stuttgart und den Fernverkehr heran. »Es ist nachweislich falsch, wenn immer wieder behauptet wird, die Reisezeit von Calw nach München würde sich um 46 Minuten verkürzen. Durch den Tiefbahnhof Stuttgart 21 gibt es einen maximalen Fahrzeitgewinn von zwei Minuten«, so Philipp Jourdan, Kreisvorsitzender von Bündnis 90 / Die Grünen und Initiator des Bündnisses.

Durch die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm würden von der Bahn 28 Minuten Fahrzeitverkürzung realisiert. Die Neubaustrecke, so argumentiert das Calwer Bündnis, sei indes nicht Bestandteil der Volksabstimmung und könnte auch mit dem Alternativkonzept Kopfbahnhof 21 realisiert werden.

»Zu viel Geld für zu wenig Bahnhof«

Stuttgart 21 verhindere vielmehr für viele Jahre Investitionen in sinnvollere Schienenprojekte im Land, meinen die Akteure. Schon vor Baubeginn seien die ursprünglich veranschlagten Kosten von rund drei Milliarden Euro knapp unter den Kostendeckel von 4,5 Milliarden Euro gestiegen, der Bundesrechnungshof rechne mit 5,3 Milliarden Euro. Die Erfahrungen mit ähnlichen Großprojekten hätten gezeigt, dass mit weiteren massiven Kostensteigerungen zu rechnen sei.

Andere Verkehrsprojekte, wie beispielsweise der S-Bahn-Anschluss für Calw und Nagold, würden sich dadurch verzögern oder würden zurückgestellt – vor allem wenn die Kosten aus dem Ruder laufen.
Das Calwer Bündnis bringt seine Haltung auf den Punkt: Stuttgart 21 sei »zu viel Geld für zu wenig Bahnhof«.