Die Praxisgebühr gehört der Vergangenheit an – die Freude der Ärzte darüber ist nicht immer gleich groß. Foto: dpa

Nach Abschaffung große Erleichterung bei Ärzten im Landkreis, aber auch Kritik: "Nur Wahlkampftaktik".

Kreis Calw - Seit diesem Jahr ist die Praxisgebühr passé. Bei den Ärzten im Landkreis Calw herrscht große Erleichterung darüber, war doch mit dem Eintreiben der zehn Euro viel Bürokratie verbunden. Allerdings gibt es auch scharfe Kritik.

In der Praxis von Bernd Walz, Facharzt für Allgemeinmedizin in Wildberg und Vorsitzender der Kreisärzteschaft Calw, haben sich in diesem Jahr noch folgende Szenen abgespielt: Patienten zücken ihre Brieftasche und reichen den Arzthelferinnen zehn Euro über die Theke. In den vergangenen neun Jahren gehörte das zum Arztbesuch dazu – jetzt aber ist die Praxisgebühr Vergangenheit. "Ein Teil der Patienten hat das noch gar nicht gemerkt", sagt Walz.

Dass Patienten ihre Termine ins Jahr 2013 hinausgezögert haben, diese Beobachtung machte der Wildberger Arzt indes nicht. Walz meint: "Das war eher zu Zeiten der Praxisgebühr. Kurz vor Quartalsende haben die Patienten ihre Termine ins neue verschoben."

Seine Arzthelferinnen seien sehr erleichtert über die Abschaffung der Gebühr, erklärt Walz. Schließlich hätten sie wie Mitarbeiter eines Inkassounternehmens die zehn Euro eintreiben müssen. Zahlten Patienten nicht, mussten Mahnungen verschickt werden – damit verbunden: viel Bürokratieaufwand. "Von den zehn Euro waren 2,10 Euro Verwaltungskosten", zitiert der Hausarzt eine Studie.

Otakar Zoufaly, Allgemeinmediziner in Neubulach und CDU-Kreisrat, freut sich zwar auch über weniger Bürokratie, doch von der Abschaffung der Praxisgebühr hält er überhaupt nichts. "Ich fühle mich von der Regierung verarscht", sagt der CDU-Kreisrat. Die Bundesregierung verhalte sich laut dem Neubulacher Hausarzt ähnlich wie der nordkoreanische Staatschef Kim Jong Un. Dieser hat anlässlich seines Geburtstag an Kinder bis im Alter von zehn Jahren Süßigkeiten verschenkt. "Die Abschaffung der Praxisgebühr ist alles nur Wahlkampftaktik der Bundesregierung", betont Zoufaly.

Nach seiner Meinung hätten die zehn Euro für die Finanzierung der Kliniken genutzt werden sollen. Die Menschen würden jetzt Geld sparen, hätten aber in Zukunft keine Krankenhäuser in ihrer Nähe, meint Zoufaly. 99 Prozent seiner Patienten hätten sich nicht an der Gebühr gestört.

Klaus Lampert, Allgemeinmediziner in Altensteig, hält den Wegfall der Praxisgebühr dagegen für sachlich begründet. Denn laut ihm sei es erwiesen, dass die Steuerungsfunktion nicht stattgefunden habe. Die SPD führte 2004 die Gebühr vor dem Hintergrund ein, damit die Arztbesuche der Deutschen zu regulieren. Die Freude der Patienten und Ärzte in der Altensteiger Gemeinschaftspraxis sei groß über den Wegfall der Gebühr, sagt Lampert.

Walz pflichtet seinem Kollegen aus Altensteig in punkto Regulierung bei. Die Deutschen seien dadurch nicht weniger zum Arzt gegangen, meint er. Zwar sei die Abschaffung der Praxisgebühr aus seiner Sicht Wahlkampftaktik der schwarz-gelben Bundesregierung, allerdings habe die Gebühr auch ihre Zielsetzung verfehlt. Doch einen positiven Aspekt hätten die zehn Euro pro Quartal dennoch gehabt. Allgemeinmediziner Walz erklärt: "Das Bewusstsein hat sich geändert." Den Menschen sei durch die Praxisgebühr erst klar geworden, dass ein Arztbesuch Kosten verursacht.