Der Kreis Calw soll eine neue West-Ost-Achse bekommen, die von Simmersfeld bis nach Stammheim führt. Foto: Fritsch

Vom Kreistag gebilligter Straßenentwicklungsplan priorisiert Millionen-Projekt. Straße führt von Simmersfeld nach Stammheim.

Kreis Calw - Was seine Straßen anbelangt, ist der Landkreis Calw nicht gerade gesegnet. Keinen Meter Autobahn, nicht mal ein eigener Autobahnanschluss. Und zu allem Überdruss soll die B  28 auch noch zur Landesstraße herabgestuft werden. Dafür soll jetzt ein Straßenentwicklungsplan das Asphaltnetz des Kreises auf Zukunft trimmen.

Während im nördlichen Nachbarkreis Anfang der Woche die Sektkorken knallten, weil Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt das Geld für das erste Teilstück der Westtangente Pforzheim freigab, wartet man im Landkreis Calw immer noch auf ähnlich positive Nachrichten, was die Kernstadtentlastung Calw angeht, die ja genauso wie die Westtangente zur Aufnahme in den Bundesverkehrswegeplan 2015 empfohlen worden war.

Um die Bedeutung des Straßennetzes für die Entwicklung einer Raumschaft zu ergründen, braucht man nur die Einwohnerentwicklung zu betrachten. Im Kreis Calw hat die Zahl der Einwohner in den vergangenen Jahren dort um so mehr abgenommen, je weiter die jeweilige Region von den Autobahnanbindungen und den ohnehin dicht besiedelten Gebieten, also von Calw und Nagold entfernt liegt. Nicht umsonst setzt sich Landrat Helmut Riegger vom ersten Tag seines Amtsantritts für eine bessere Infrastruktur in seinem Landkreis ein: von der Schiene über die Straße bis zum Datennetz.

Während mit dem geplanten Neubau der Hermann-Hesse-Bahn der Schienenanschluss ans Stuttgarter S-Bahn-Netz mittlerweile zum Greifen nah ist, soll nun auch das Straßennetz zukunftsfähig gemacht werden. Dafür beauftragte man das Steinbeis Transferzentrum an der Hochschule Karlsruhe, das zwei Jahre lang das 648 Kilometer lange Straßennetz im Kreis analysierte. Das 170 Seiten dicke Werk, das jetzt im Kreistag vorgestellt wurde, wurde von fast allen Fraktionen begrüßt. "Das darf nicht in den Schubladen verschwinden, daraus muss ein Aktionsplan abgeleitet werden", forderte CDU-Fraktionschef Jürgen Großmann. Während früher bei ähnlichen Plänen nur über einen weiteren Straßenneubau nachgedacht worden sei, meinte SPD-Fraktionsvorsitzender Rainer Prewo, gehe es hier bei diesem Entwicklungsplan um ein "effizienteres, funktional besseres Netz". Also eine völlig neue Herangehensweise.

Kernstück des Plans ist eine neue West-Ost-Achse im Kreis, die klar präferiert wird. Sie führt auf einer Länge von 32 Kilometern von Simmersfeld über Neubulach bis zum Anschluss an die B 296 südlich von Stammheim. Je nachdem, ob Neubulach eine Ortsumfahrung bekommt oder nicht, würde eine solche teilweise neu gebaute Trasse zwischen neun und 16 Millionen Euro kosten. Erschlossen würden mit dieser Achse nicht nur das Gewerbegebiet in Simmersfeld, sondern auch die Tourismusziele Poppeltal und Kaltenbronn. Derzeit befahren 5200 Fahrzeuge die Strecke von Altensteig über Neubulach nach Calw. 2030 werden es nach neuesten Berechnungen 200 Fahrzeuge pro Tag mehr sein.

Eine solche West-Ost-Achse weiter nördlich, also im Umfeld der Stadt Calw, hat nach Meinung der Fachleute wenig Chancen auf Realisierung – angesichts von Baukosten, die zwischen 45 Millionen (Querung Wimberg-Calw) und 73 Millionen Euro (Querung Hirsau) liegen.

Kritik an diesem Straßenentwicklungsplan kam einzig von den Grünen. Fraktionssprecher Johannes Schwarz lehnte es ab, sich vorschnell bei dieser West-Ost-Achse auf eine Ortsumfahrung von Neubulach und Oberhaugstett festzulegen: "Das ist bei Weitem nicht nur eine Frage des Eingriffs in die Natur", meinte Schwarz, "sondern vor allem die Frage des verantwortlichen Einsatzes von finanziellen Ressourcen, auch angesichts großer anderer Probleme in der heutigen Zeit." Vielmehr ist nach Meinung der Bündnis-Grünen eine "Sättigung in Sachen Straßenneubauten" erreicht. Alle fünf Grünen-Kreisräte votierten deswegen gegen den Plan.

Eine andere Forderung, die in diesem Papier untersucht wurde, sind Überholspuren auf den Bundesstraßen, die nach Meinung von Fachleuten die Unfallzahlen auf diesen Strecken deutlich senken würden. Eine solche dritte Spur gibt es im Kreis mit seinem 141 Kilometer langen Bundesstraßennetz nur zwischen Nagold und Jettingen.

Landrat Helmut Riegger war deswegen bereits zu Gesprächen im Bundesverkehrsministerium in Berlin. "So ganz daneben", meinte er im Kreistag zum Thema Überholspuren, "liegen wir da nicht."