Rund 14.500 Tiere müssen vor den "großen Beutegreifern" gesichert werden. (Symbolbild) Foto: Mirgeler

Bund und Land sollen schneller Kosten übernehmen. Rund 14.500 Tiere vor "großen Beutegreifern" sichern.

Kreis Calw - Die Probleme mit dem Wolf im Kreis Calw werden größer. Grund genug, dass sich der Verwaltungs- und Wirtschaftsausschuss (VWA) des Kreistags einmal ausführlich vom Landratsamt über die aktuelle Situation beim Schutz von Nutztierherden vor dem Wolf berichten ließ.

Genau das ist (unter anderem) das Sachgebiet von Peter Schäfer, dem Leiter der Abteilung Landwirtschaft und Naturschutz im Landratsamt Calw. Der gegenüber den VWA-Mitgliedern erst einmal die Dimensionen aufzeigte, in denen sich im Kreis Calw dieser Herdenschutz abspielt: Rund 10.000 Schafe gebe es hier, dazu gut 3000 Rinder und 1500 Pferde. Und die alle, das sollte sich im Laufe der anschließenden Diskussion zeigen, müssten früher oder später komplett vor den neu angekommenen "großen Beutegreifern" sicher verwahrt werden.

Burkhardt: Risse sind "Spitze des Eisbergs"

Denn, auch wenn bisher im Kreis Calw "nur" Schafe aus Nutztierherden gerissen wurden - zuletzt am 24. Januar in Bad Wildbad - werde das mutmaßlich so nicht bleiben. Das sagte zumindest FDP-Kreisrat Hans-Jochen Burkhardt, selbst Landwirt in Oberreichenbach-Würzbach. Burkhardt berichtete in seinem Diskussionsbeitrag im VWA von einer kürzlich unternommenen Reise nach Italien, wo er sich bei Kollegen über die dortigen Erfahrungen mit Wölfen (und vor allem Wolfsrudeln) ausführlich informiert habe.

Eine Erkenntnis dort: Solange sich in einer Region neu ankommende Wölfe ausreichend aus dem natürlichen Wildbestand "bedienen" könne, seien Übergriffe auf Herdentiere eher selten. Und erfolgten dann, wie der Bericht zuvor von Peter Schäfer nahelegte, stets deshalb, weil der Herdenschutz nicht mit ausreichender Sorgfalt ausgeführt wurde - was so auch bei allen elf bisherigen Nutztierrissen des im Nordschwarzwald ansässigen Wolfsrüden mit den Kennung "GW 852m" der Fall gewesen sei.

Wenn aber der Wolfsbestand wachse (was auch nach Expertenansicht in Baden-Württemberg eine Zwangsläufigkeit sein werde), damit der natürliche Wildbestand entsprechend unter Druck gerate und schrumpfe, würden früher oder später auch mehr Nutztiere auf Weiden ins Visier der Wölfe geraten müssen, also auch Rinder und Pferde, und hier mutmaßlich zuerst die Jungtiere. Nach Einschätzung von Landwirt Burkhardt, der nach eigener Auskunft selbst rund 200 Rinder hält und für den Verkauf an Mastbetriebe gut 120 Kälber im Jahr aufzieht, seien daher die bisherigen Risse von "GW 852m" nur "die Spitze des Eisberges" und nur ein Auftakt dessen, was da noch kommen werde.

Zumal es nach seiner Erfahrung "völlig unmöglich" sei, einen solch aufwendigen Herdenschutz im Freiland, wie er bei Schafen aktuell in der sogenannten "Förderkulisse" gefordert werde, auch bei Rindern oder Pferden vergleichbar umzusetzen – weil den Platzbedarf je Tier um ein Vielfaches größer sei als bei Schafen und also auch die einzuzäunenden Weiden ein Vielfaches an Aufwand verlangten. "Das ist einfach nicht zu leisten", so Burkhardt. Weshalb sich Landwirt Burkhardt für eine "baldige Entnahme" - sprich Abschuss - des Bad Wildbader Wolfs aussprach, zumal auch die Gefahr bestehe, dass dieser mittlerweile "auf Schafsrisse konditioniert" sei und gegebenenfalls dieses "Wissen" an andere Artgenossen weitergebe – spätestens, wenn es wie erwartet hier zur Bildung eines Wolfsrudels komme.

"Zusammenhänge waren mir so nicht bewusst"

In einer direkten Stellungnahme zu Burkhardts Erfahrungsbericht zeigte sich der CDU-Fraktionschef im VWA, Nagolds Oberbürgermeister Jürgen Großmann, sichtlich erschüttert von dem Gehörten: "Diese Zusammenhänge waren mir so nicht bewusst, das höre ich in dieser Form das erste Mal." Weshalb Großmann – auch in Ergänzung zum ursprünglichen Bericht von Peter Schäfer zum Herdenschutz – letztlich einen Antrag im Gremium stellte, neben einem detaillierten Sachstandbericht zum aktuellen Herdenschutz (also welche Herden werden aktuell wie geschützt im Kreis Calw) auch eine Resolution seitens des Landkreises vorzubereiten, mit dem beim Land zu diesem Thema – "noch nachdrücklicher als bisher" – interveniert werden solle, um etwa die Förderkulisse zu erweitern und deutlich schneller als im Moment auch auf weitere Nutztierarten auszuweiten.

Denn im Moment sei es nach wie vor so - trotz anderer Ankündigungen - dass in der aktuellen Förderkulisse nur 90 Prozent der (den Schäfern) entstehenden Kosten für die speziellen Schutzzäune gegen den Wolf erstattet würden. Zwar herrsche überall Konsens, dass diese Förderung auf 100 Prozent ausgeweitet werden müsse und auch zum Beispiel der Personalaufwand für das Aufstellen der Zäune in die Förderung einfließen sollte, aber bisher umgesetzt wurde die erweiterte Förderung der betroffenen Landwirte trotz aller Zusagen bisher nicht.

Auch wertete man es im VWA als "zu kleinlich", wenn - wie im jüngsten Fall in Bad Wildbad geschehen - man dem betroffenen Schäfer die Erstattung seines durch den Wolf verursachten Schadens verweigere, nur weil die Stromspannung auf dem Schutzzaun nicht die geforderte Maximal-Voltzahl erreicht hatte. Hier wünschte man sich vom zuständigen Ministerium mehr Augenmaß, die schwierigen Verhältnisse im Herdenschutz in einer Bergregion wie dem Nordschwarzwald mit zu berücksichtigen - in "der man die Zäune nicht einfach so in den Boden stecken" (Zitat Landrat Helmut Riegger) könne wie im Flachland.

Der VWA sprach sich letztlich mit den Stimmen aller VWA-Mitglieder einstimmig für das Abfassen der Resolution gegenüber der Landesregierung aus. Den exakten Wortlaut werde nun das Landratsamt ausarbeiten, so Landrat Riegger, und in einer der nächsten Sitzungen des Kreistags zur Diskussion und Entscheidung vorstellen.