Jedoch kin Beitritt zum Bündnis "Sicherer Hafen". Sogwirkung für weitere Flüchtlinge soll vermieden werden.
Kreis Calw - Es gibt mehr brennende Themen als nur das Coronavirus. Die Situation der Flüchtlinge in den griechischen Lagern zum Beispiel. Ein Antrag der SPD-Fraktion zur jüngsten Sitzung des Verwaltungsausschusses (VWA) des Kreistags hob daher auch diese "Herausforderung" auf dessen Tagesordnung.
Inhalt des SPD-Antrags: Der Landkreis Calw möge sich dem Aktions-Bündnis "sicherer Hafen" anschließen – und sich bereiterklären, "einige minderjährige Flüchtlinge" aus dem überfüllten Flüchtlingslager (auf Lesbos) aufnehmen. Letztere Idee – die Aufnahme zusätzlicher Flüchtlingskinder im und durch den Kreis Calw – fand im Gremium relativ schnell eine mehrheitsfähige Zustimmung. Aber mit dem Bündnis "sicherer Hafen" hatte nicht nur die Verwaltung mit Landrat Helmut Riegger an der Spitze so ihre Probleme.
Den "Haken" bei einem Beitritt zu diesem Bündnis – mit allen Konsequenzen – erläuterte Norbert Weiser, der Sozialdezernent das Landkreises: Grundsätzlich sei es auch aus Sicht seiner Behörde kein Problem, allein reisende Flüchtlingskinder – sogenannte "UMAs" (unbegleitete minderjährige Ausländer) – in Einrichtungen des Kreises und der angeschlossenen Kommunen aufzunehmen; auch mehr, als man nach dem sogenannten "Königsteiner Schlüssel" (regelt den Lastenausgleich zwischen Bund, Land und Kommunen) eigentlich müsste.
"Aber das braucht trotzdem die Kostenübernahme durch das Land", so Weiser. Und das hätte bereits sehr deutlich gegenüber dem Bündnis "sicherer Hafen" signalisiert: Für UMAs, die nicht offiziell über das Land selbst verteilt würden, zahlt das Land auch keinen Kostenersatz. Die müssten die Bündnis-Kommunen in einem solchen Fall alleine tragen. Weshalb es, so Weiser weiter, die Empfehlung der Verwaltung zum SPD-Antrag sei: nicht dem Bündnis "sicher Hafen" beizutreten, aber gegenüber dem Land ganz offiziell die allgemeine Bereitschaft erklären, auch mehr Kinder aufzunehmen aus dem Kontingent von Bund und Land, als man nach der Rechtslage als Landkreis eigentlich müsste.
"Wir müssen hier nicht die Arbeit des Außenministers übernehmen"
Was Ebhausens Bürgermeister Volker Schuler (FWV) die spontane Frage abnötigte, was eigentlich die Motivation des SPD-Antrags sei – wenn es doch sowieso eine Bereitschaft (im Kreis) gebe, UMAs hier aufzunehmen?
Die Antwort übernahm Ursula Utters als SPD-Fraktionssprecherin, die auch zuvor den Hintergrund des eingebrachten Antrags im VWA erläutert hatte: Man habe sich "ein auch klares politisches Statement" des Kreises und des Kreistags zur Flüchtlingssituation speziell in dem Lager auf Lesbos gewünscht. Nach ihrer persönlichen Meinung gehörten die Lager dort auf den Inseln komplett geschlossen und mindestens aufs Festland verlegt.
Für die CDU-Fraktion im Kreistag übernahm es Thomas Blenke, den SPD-Antrag zu kommentieren. Man würde sich "der Position der Verwaltung zu hundert Prozent anschließen", womit ein eindeutiger "Beweis bereits erbracht" sei, dass es im Kreis eine große Aufnahmebereitschaft für unbegleitete Flüchtlingskinder gebe. Auch er bewerte die Bilder von Lesbos als "erschreckend" – weshalb man als CDU-Fraktion bereit sei, ein "humanitäres Signal" zu geben. Aber "wir müssen hier nicht die Arbeit des Außenministers übernehmen" als ein Kreisgremium.
Einen weiteren Aspekte brachte Günther Schöttle (AfD) in der Diskussion ein: Solidarität sei wichtig – aber auch mit künftigen Generationen hierzulande, gerade mit Blick auf die aktuelle Entwicklung der Schuldensituation in Deutschland wegen der Corona-Krise. "Die Grenze der Zuwanderung in Deutschland ist erreicht", so Schöttle. Auch wenn man als AfD "die Linie des Landrats unterstützen" würde, "wenn es in dieser Sache zum Schwur kommt". Man wolle aber unter allen Umständen vermeiden, dass es eine "Sogwirkung" gebe auf nachfolgende Flüchtlinge – durch die Bereitschaft, mehr Flüchtlinge aufzunehmen als eigentlich geboten.
Sogwirkung für weitere Flüchtlinge soll vermieden werden
Eine Gedanke, den anschließend unter anderem SPD-Fraktionssprecherin Utters ebenfalls aufgriff – die auch eine solche "Sogwirkung" in Richtung weiterer, neuer Flüchtlingsströme "unbedingt vermieden" sehen wollte. Weshalb sich die Mitglieder des VWAs letztlich auf einen von Landrat Riegger angebotenen Kompromissvorschlag in dieser Sache einigten: Der Landkreis werde – ohne ausdrücklichen Entscheid des VWAs, aber mit dessen Unterstützung – gegenüber dem Land seine Bereitschaft erklären, bis zu fünf UMAs mehr als nach dem Königsteiner Schlüssel verpflichtet aufzunehmen. Freie Plätze gebe es dafür in den hiesigen UMA-Wohngruppen.
Der Entscheid über einen Beitritt zum Aktions-Bündnis "sicherer Hafen" werde man auf eine der nächsten Sitzungen des Kreistags verschieben, damit unter anderem auch die übrigen Fraktionen Chance hätten, das Thema intern zu beraten. Wobei Johannes Schwarz für die Grünen-Fraktion noch mitteilen konnte, dass diese bereits vor der SPD einen "nahezu wortgleichen Antrag" vorbereitet hätte – diesen aber nach Rücksprache mit dem Landrat wegen der Corona-Krise noch zurückgestellt hatte.