Landrat Helmut Riegger: Aber Privatisierung nicht für alle Ewigkeiten ausgeschlossen. Info-Veranstaltungen geplant.
Kreis Calw - Im Frühjahr hat im Vorfeld der Kreistagswahlen die Diskussion über die Zukunft der Krankenhäuser im Kreis Calw für zum Teil heftige Emotionen gesorgt. Damals hatte sich Landrat Helmut Riegger einen "Maulkorb" verordnet, weil – wie er auch heute noch sagt – "sich das Thema nicht für den Wahlkampf eignet."
Doch jetzt plant Riegger eine echte Informations-Offensive. Mit zwei großen, öffentlichen Veranstaltungen noch im Dezember, spätestens im Januar will er sowohl in Nagold als auch in Calw die Bevölkerung über die aktuellen Details der anstehenden Neuplanungen des Krankenhauswesens informieren und damit den ursprünglich eingeschlagenen Weg der breiten Bürgerbeteiligung wieder aufnehmen und fortsetzen. Allerdings: "Am Konzept 3plus führt kein Weg mehr vorbei", unterstreicht Riegger.
Und relativiert dabei den seinerzeitigen, zum Teil sehr heftigen Protest der Bürgerinitiative für das Krankenhaus Calw: "Ich habe viel Verständnis für die Position der BI", so Riegger. Aber "die Gegner von 3plus sitzen nur in einer einzigen Stadt – nämlich Calw. Der Kreis Calw jedoch, dem ich insgesamt verantwortlich bin, besteht aus zusammen 25 Städten und Gemeinden." Und insgesamt sei es nun einmal so, dass mehr als Zweidrittel der Einwohner im Kreis Calw für "3plus" seien. "Und die Mehrheit entscheidet."
Allerdings gibt Riegger zu, dass er die Vehemenz der Proteste ganz klar unterschätzt habe, als er seinerzeit für die Entscheidungsfindung den "öffentlichen Weg der Bürgerbeteiligung" gewählt habe – der zwar zum Beispiel von Seiten der Landesregierung dem Kreis Calw viel Lob und Anerkennung eingebracht, aber doch auch viele zusätzliche Diskussionen und Arbeit verursacht habe. Ja, bestätigt der Landrat, er fühle sich da ein wenig wie der Zauberlehrling: "Es sind die Geister, die ich rief." Denn, erinnert Riegger, die gesamte Krankenhausdiskussion hätte auch ausschließlich hinter verschlossenen Türen stattfinden können. Das wäre das übliche Verfahren gewesen. Und auch das wäre demokratisch gewesen, da auch so immer gewählte Vertreter des Wahlvolkes die Entscheidungen getroffen hätten.
"Dass wir die Diskussion von Anfang an öffentlich geführt haben, war Ausdruck des Wunsches, auch eine möglichst große Akzeptanz für die Planungen zu erreichen." Helmut Riegger spricht von "wir" – aber er meint vor allem sich selbst: Denn – man erinnere sich – dass im Kreis Calw aktuell überhaupt über das Krankenhauswesen diskutiert wird, ist tatsächlich allein seinem Initial zu verdanken. "Ja, ich habe mir tatsächlich bereits mit meiner Wahl 2009 die Frage gestellt, welche Projekte ich in meiner Amtszeit als Landrat anpacken möchte. Und der Kreis Calw hatte im Bereich der Infrastruktur große Defizite. Straßenbau gehört dazu, die S-Bahn-Anbindung, das Breitband-Internet. Aber eben auch die medizinische Versorgung. Wir laufen hier jedes Jahr mit fünf bis sechs Millionen Eure Defizit ins Minus. Das ist auf Dauer nicht tragbar."
Allein um dieses Minus in den Griff zu bekommen, hatte der Kreistag schließlich auf Vorschlag von ihm das Gutachten zur Krankenhaus-Situation und -Entwicklung im Kreis Calw in Auftrag gegeben. Mit eindeutigem Ergebnis: Das Krankenhaus in Nagold muss umfassend saniert werden; Kostenschätzung der Gutachter hier: rund 30 Millionen Euro. Für Calw lohne sich, so die Gutachter, eine Sanierung und Fortschreibung des bestehenden, über 100 Jahre alten Klinikbaus nicht mehr.
Infrage komme nur ein Krankenhaus-Neubau, der mit schätzungsweise 34 Millionen Euro zu Buche schlagen soll. Also mindestens 64 Millionen Euro Gesamt-Investitionen, von denen "etwa 40 bis 45 Prozent durch Fördermittel gedeckt werden" könnten, so Riegger. Den Rest muss der Kreis Calw selber aufbringen.
Klingt nach einer Quadratur des Kreises: Ein Defizit von regelmäßig über fünf Millionen Euro, das zur Hälfte bereits durch bestehende Schuldendienste zustande komme, durch neue Investitionen zu beseitigen, die doch auch wieder überwiegend nur durch neue Schulden zu finanzieren sein würden. Der Trick dahinter: Mit der dann moderneren Infrastruktur in den beiden Krankenhäusern sollen Folgekosten sinken sowie die Effizienz und Auslastung der Häuser ausgebaut werden. Das realistisch erreichbare Ziel sei laut der Gutachter "eine schwarze Null" in der Betriebsführung der Kreis-Kliniken in Nagold und Calw.
Was folgende Frage aufwirft: Sobald ein kommunales Klinikwesen auf einmal keine Verluste mehr machen würde, wäre es doch eine jener "Rosinen", für die sich erklärtermaßen die privaten Klinikbetreiber zwangsläufig interessieren würden. Das wird ja aktuell auch beim ebenfalls noch laufenden Musterprozess des Kreises Calw gegen den Bundesverband Deutscher Privatkliniken (BDP) immer wieder sehr deutlich (wir berichteten). Das nachdrückliche Lächeln von Landrat Helmut Riegger bei der Suche nach einer Antwort auf diese Frage verrät, dass ihm dieser Gedankengang nicht fremd ist.
Und tatsächlich bestätigt er, dass eine solche Situation den Kreis Calw auf einmal "in eine sehr komfortable und starke Verhandlungsposition bei einer eventuellen Privatisierung der Kreis-Kliniken" bringen würde, mit der der Kreis notwendige Bedingungen zur garantierten Versorgung an einen privaten Klinikbetreiber diktieren könnte. In anderen Landkreisen sei die Situation oft genau umgekehrt gewesen, mit der Folge, dass die Qualität der medizinischen Versorgung unter der Regie der privaten Klinikbetreiber zum Teil dramatisch zurückgebaut wurde. "Das wird es im Kreis Calw so nicht geben", ist Riegger sicher. Um dann wohl überlegt und sehr bewusst hinzuzufügen: "Es ist das erklärte Ziel im Kreis Calw, die Krankenhäuser in Nagold und Calw in öffentlicher Hand zu halten." Aber eine Privatisierung für alle Ewigkeiten auszuschließen, dass könne er nicht.