Multi Resistente Staphylococcus Aureus (MRSA) sind Bakterien, die Abwehrmechanismen gegen viele Antibiotika entwickelt haben.Foto: Klinikverbund Quelle: Unbekannt

Kreis Calw - Killerkeime – das klingt wie aus einem Horrorfilm. MRSA heißt das Bakterium. 40 000 Menschen sterben daran in Deutschland jedes Jahr. Und sie infizieren sich zumeist im Krankenhaus

Kreis Calw/Kreis Böblingen - Killerkeime – das klingt wie aus einem Horrorfilm. MRSA (Multi Resistente Staphylococcus Aureus) heißt das Bakterium im medizinischen Fachbegriff. 40 000 Menschen sterben daran in Deutschland jedes Jahr. Und sie infizieren sich zumeist an einem Ort, an dem sie an sich gesund werden sollen: im Krankenhaus.

MRSA-Bakterien sind gegen viele Antibiotika resistent und sie breiten sich immer mehr aus. Das macht sie so gefährlich. Ein Problem, das inzwischen in vielen Krankenhäusern sehr ernst genommen wird. Denn Deutschland hat, insbesondere im Vergleich zu Skandinavien und den Niederlanden, noch Nachholbedarf. Der Anteil von MRSA unter den Staphylococcus Aureus-Stämmen liegt hierzulande bei über 25 Prozent bei immer noch steigender Tendenz. In Holland sind es drei Prozent.

Nur wer handelt, wird diese Raten senken können. Davon sind Thilo Rünz und Elke Stolte überzeugt. Der Chefarzt und Leiter des Instituts für Laboratoriums-, Transfusionsmedizin und Mikrobiologie sowie die Pflegefachkraft beim Klinikverbund Südwest können auf erste Erfolge verweisen. Seit Januar 2009 kümmern sich Schwestern und Pfleger des Hauses um das MRSA-Problem. Seither sinkt, wie Balkendiagramme eindrucksvoll beweisen, die Zahl der erworbenen MRSA-Infektionen/Kolonisationen in den Krankenhäusern des Verbunds, zu dem die Kliniken in Sindelfingen, Böblingen, Herrenberg, Leonberg, Calw und Nagold gehören, deutlich.

Alle Risikopatienten werden getestet, also einem Aufnahmescreening unterzogen. Dazu zählt, wer früher schon einmal eine MRSA-Besiedlung hatte, in den vergangenen zwölf Monaten im Krankenhaus war oder wer aus Krankenhäusern aus Ländern mit besonders hoher MRSA-Anteilen verlegt wird.

Dabei sind die meisten Menschen, die MRSA-Bakterien mit sich herumtragen, nicht erkrankt. Sie kommen aber als Überträger in Betracht und müssen gegebenenfalls isoliert werden. Rünz: "Wir halten hierfür stets ein, zwei Einzelzimmer bereit." Da mögen sich manche Patienten wie Aussätzige behandelt fühlen. Doch für Rünz und Stolte sind solche Maßnahmen unerlässlich, um das Risiko der Weitergabe der Keime auf Mitpatienten zu minimieren.

Lösen Lungenentzündung oder Blutvergiftung aus

Richtig gefährlich werden die MRSA-Keime, wenn sie eine Lungenentzündung oder eine Blutvergiftung auslösen oder Wunden infizieren, die als Folge eines operativen Eingriffs entstanden sind. Dann ist, da wird der Gesichtsausdruck von Elke Stolte sehr ernst, die Sterblichkeit deutlich höher als bei Staphylococcus Aureus-Stämmen, die keine Multiresistenz aufweisen.

Was bleibt, ist die Behandlung mit Reserveantibiotika wie Vancomycin, Teicoplanin, Linezolid oder Tigecyclin. Die Therapie ist langwierig, schwierig und teuer. Die Kosten allein für die Medikation mit Linezolid belaufen sich auf 120 Euro pro Tag.

Wird den Krankenhäusern die MRSA-Problematik mehr und mehr bewusst, so ist das in Pflegeheimen und vor allem bei den niedergelassenen Ärzten ihrer Meinung nach nicht immer der Fall. So erzählen Rünz und Stolte von einem Allgemeinmediziner aus dem Raum Böblingen/Calw, der sich erbost beim Klinikverbund meldete und forderte, mit dem Aufnahmescreening doch endlich aufzuhören. Wenn nämlich MRSA-Patienten Arztpraxen aufsuchen, muss danach das Behandlungszimmer aufwändig desinfiziert werden. Ob solcher Forderungen können die beiden Spezialisten vom Klinikverbund Südwest nur den Kopf schütteln.

Und noch ein anderes Verhalten von Allgemeinmedizinern ist Rünz und Stolte ein Dorn im Auge, zumal es als Hauptursache des ganzen MRSA-Problems gilt: Es werden zu schnell und zu viel Antibiotika verordnet. Das fördert die Bildung von Resistenzen. Ärzte haben Verordnungsfreiheit. Stolte könnte sich aber sehr wohl vorstellen, bei der Verordnung von Antibiotika durch gesetzliche Maßnahmen die Notbremse zu ziehen. Zumindest insoweit, dass die Mediziner ihre Verordnungen begründen müssen.

Von Alfred Verstl