Als sie an der Reihe waren, sparten die Besucher in der Stammheimer Halle nicht mit Kritik. Foto: Fritsch

Bei Informationsveranstaltung geht es teilweise hitzig zu. Szenario "3 plus" im nördlichen Kreis umstritten.

Calw - Ob er jemals einen Patienten angelogen hätte? wollte Martin Oberhoff, der Chefarzt der Klinik für Innere Medizin mit Schwerpunkt Kardiologie am Calwer Krankenhaus, wissen. Außer, dass er vielleicht einmal gesagt habe, der Eingriff tue nicht weh.

Den Beifall, den er dafür bei der Informationsveranstaltung zur Zukunft der Kreiskliniken am Montagabend in der Stammhemer Gemeindehalle bekam, darf er als Zeichen des Vertrauens für sich und für die ganze Krankenhausmannschaft verbuchen, das sie bei den Patienten genießen. Aber auch Oberhoff ist es damit nicht gelungen, Landrat Helmut Riegger eine Brücke Richtung Umsetzung des Szenarios 3 plus zur Behebung der Krankenhaus-Misere zu bauen. Ob er das vorhatte, wollte Oberbürgermeister Ralf Eggert nach dessen Statement pro Gutachter-Empfehlung von dem Mediziner wissen. Im Satz zuvor hatte sich der OB gefragt, ob Oberhoff denn jemand eine Waffe an den Kopf gehalten hätte, damit er so etwas überhaupt sagt.

Am Montagabend ist es in der Halle nach einem eher ruhigen Auftakt doch noch teilweise hitzig hergegangen. Die gut eine halbe Stunde, die bei der Veranstaltung zur Beantwortung von Fragen vorgesehen war, reichte natürlich bei weitem nicht aus. Und am Ende sind, wie berichtet, längst nicht alle Zweifel beseitigt worden, die vor allem die Bürger im nördlichen Landkreis beschäftigen.

Dabei hatte nicht nur Landrat Helmut Riegger fast leidenschaftlich für eine Neuausrichtung des Gesundheitswesens im Kreis plädiert. "Der Kreistag und ich stehen für ein Plankrankenhaus im Kreis Calw an zwei Standorten", sagte er. Und das sei mittlerweile auch mit dem Sozialministerium abgestimmt worden. Die grundsätzliche Förderfähigeit sei am 27. Januar anerkannt worden. So könne der Kreis zwei Mal mit Geld rechnen: rund 28 Millionen Euro für einen Neubau in Calw und 32,5 Millionen für die Sanierung in Nagold.

Leider, so der Landrat weiter, erfordere das auch Veränderungen. Wobei seiner festen Überzeugung nach das von den Gutachtern in Abstimmung mit den Bürgerforen erarbeitete Szenario 3 plus voll passt. Dieses sieht, wie berichtet, die Sanierung des Krankenhauses Nagold und die Umwandlung zum Schwerpunktklinikum sowie der Neubau eines Krankenhauses in Calw samt dem Ausbau zum Gesundheitscampus gemeinsam mit einem Reha-Anbieter vor. Die medizinische Grundversorgung in Calw in allen Disziplinen sei auch in Zukunft gewährleistet. Und durch die Investitionen in ein Reha-Zentrum – für das allerdings noch der passende Partner gesucht werden muss – sowie durch weitere dort mögliche Einrichtungen seien zusätzliche Investitionen in Calw in Höhe von 30 Millionen Euro zu erwarten.

Das im Krankenhauswesen im Kreis angesichts der großpolitischen Wetterlage etwas geschehen muss, das betonte die Geschäftsführerin des Klinikverbunds Südwest, Elke Frank. Sie könne zwar die Ängste und Sorgen der Menschen aus Calw und Umgebung nachvollziehen. Aber sie könne ihnen garantieren, dass auch weiter alle medizinisch versorgt werden, die hier ein Krankenhaus aufsuchen.

Wie das neue Calwer Haus aussehen soll, das hatte zuvor GÖK-Gutachter Jörg Risse in seinem sowohl optisch als auch akustisch nur schwer nachvollziehbaren Vortrag zu erläutern versucht. Ewald Prokein von der Bürgerinitiative Krankenhaus machte Landrat Helmut Rieger sogar ein Kompliment für die insgesamt "geschickte Präsentation des Angebots". Allerdings, so merkte Prokein an, habe ihn das irgendwie an das Märchen "Der Wolf und die sieben jungen Geißlein" erinnert. Er bezweifle, dass mit dem so geplanten Krankenhaus die medizinische Notfallversorgung gewährleistet werden könne.

Und so ging’s munter weiter. Es gab Fragen und Einwände zur Bettenzahl, zum derzeitigen Defizit im Krankenhauswesen und zum von den Gutachtern errechneten künftigen, zum Verbleib der Orthopädie, zur Ausrichtung des Calwer Hauses überhaupt, zu den Medizinischen Versorgungszentren, die mit beiden Kreiskrankenhäusern verknüpft werden sollen, zur Notwendigkeit eines Neubaus in Calw und, und und.

Mit den gegebenen Antworten waren viele im Saal nicht zufrieden. "Das waren hauptsächlich Beschwichtigungen", befand Ewald Prokein.

So gesehen: Fakten statt Zahlen

Hans-Jürgen Hölle

Ja was denn nun? 105 Betten? 127? 138? Oder gar 160? – und in einer ungewissen Zukunft stolze 180? Elke Frank, die Geschäftsführerin des Klinikverbunds Südwest, und andere auf dem Podium versammelte Experten inklusive GÖK-Gutachter Jörg Risse eierten bei der Informationsveranstaltung zum Thema Zukunft der Krankenhäuser im Kreis Calw am Montagabend in Stammheim ganz schön herum.

Dabei ging es nur um die Frage, wie eine neue Calwer Klinik, die es nach den Vorstellungen des Gutachters geben soll, ausgestattet werden soll. Und dann wurde da mit Zahlen nur so herumjongliert. Von 105 Planbetten war die Rede sowie von durchaus mehr tatsächlich aufstellbaren. Wie viel von den seither 199 Betten in Calw bleiben sollen, das wurde nicht konkretisiert. Wie auch nicht näher darauf eingegangen wurde, was mit der hier angesiedelten Orthopädie wirklich passieren soll. Und ob es irgendwo in Deutschland ein Krankenhaus gibt, das mit etwa 250 Betten – wie für Nagold vorgesehen – einen Gewinn von fünf Millionen Euro erwirtschaftet. Mit einem solchen fiktiven Überschuss soll ja dann das für Calw von vornherein vorgesehene Defizit von vier Millionen Euro ausgeglichen werden.

Unstrittig ist, dass der Kreis die defizitäre Lage im Krankenhauswesen in den Griff bekommen muss. An einer Neuausrichtung der medizischen Versorgung führt angesichts der großpolitischen Lage, die dazu geführt hat, dass anderswo Häuser geschlossen wurden, kein Weg vorbei. Aber mit solchen Zahlenspielen kann man die verständlicherweise besorgten Bürger aus dem nördlichen Landkreis von dem im Raum stehenden Szenario 3 plus nicht überzeugen. Wobei Elke Frank zugute zu halten ist, dass sie die Antwort, wie viele Betten es in Calw am Ende sein werden, gar nicht geben konnte. Nach dem unlängst eingetroffenen Förderbescheid sowohl für den Neubau in Calw als auch die Sanierung der Nagolder Klinik will sie jetzt erst mit den Chefärzten beider Häuser abstimmen, welche Abteilung wo was bekommt. Dabei geht es nicht um die Bettenzahl allein, sondern vor allem um die Ausgestaltung bei den medizinischen Disziplinen. Immerhin sagte die Klinikverbunds-Geschäftsführerin zu, dass es hier bis Ende April Klarheit geben wird.

Da bleibt ja noch Zeit. Die von den Verantwortlichen dafür genutzt werden sollte, wirklich belastbare Fakten zu besorgen, damit bei weiteren Entscheidungen über die Zukunft der Krankenhäuser nicht nur mit theoretischen Zahlen argumentiert werden muss. Zum Beispiel – wie von der Bürgerinitiative Krankenhaus gefordert – durch eine Plausibilitätsüberprüfung des GÖK-Gutachtens. Das stammt aus dem Jahr 2013. Und da ist es ja möglich, dass die damals zu Grunde gelegten Zahlen mittlerweile überholt sind. Und was ist mit dem in die Diskussion gekommenen Gesundheits-Campus? Da fehlen auch noch nähere Informationen.

Deswegen sollte sich der Kreistag noch etwas Zeit nehmen. Im März soll er sich mit dem Thema das nächste Mal befassen. Angesichts der Tatsache, dass es da um die Entwicklung im Krankenhauswesen erst ab dem Jahr 2020 geht, würde es nichts ausmachen, wenn das Gremium abwartet, bis Elke Frank Genaueres präsentiert hat.

Eines sollten die in Calw um ihr Krankenhaus besorgten Bürger aber keinesfalls außer Acht lassen. Noch steht die Mehrheit im Kreistag hinter einem Konzept, das ein Krankenhaus an zwei Standorten vorsieht. Wenn weiter nur Störfeuer aus der Hesse-Stadt kommt, könnte sich daran durchaus etwas ändern.