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Delegation aus dem Landkreis testet für die Hesse-Bahn vorgesehenen Brennstoffzellenzug.

Kreis Calw - Ein blauer Zug fährt ein, es herrscht Gedränge. Nur die vielen gezückten Kameras verraten, dass es sich hier nicht um eine ganz alltägliche Situation handelt. Denn der Zug, in den nun auch eine Delegation aus dem Landkreis Calw einsteigt, ist der erste Brennstoffzellenzug der Welt.

Rein äußerlich ist die himmelblaue Farbe des ersten Brennstoffzellenzuges das einzige, was ihn von herkömmlichen Modellen unterscheidet. Auch innen ist nichts Futuristisches zu sehen – links und rechts Sitzplätze, ebenfalls blau bezogen, das wars. "Es ist ein Alltagsgegenstand, deshalb haben wir ihn auch innen nicht anders gestaltet", erklärt Jörg Nikutta, Managing Director von Alstom, der Firma, die den emissionsfreien Zug gebaut hat.

Der Brennstoffzellenzug stößt lediglich Wasserdampf aus

Was dieses Fahrzeug so besonders macht, ist sein Antrieb. Im Zug sind zwei Brennstoffzellen auf das Dach gebaut, die Wasserstoff und Sauerstoff in Strom umwandeln. Der Zug stößt also lediglich Wasserdampf aus. Weil er mit dieser Technologie aber nicht ganz so antriebsstark ist wie ein dieselbetriebener Wagen, ist er zusätzlich mit zwei Batterien ausgestattet. Beim Anfahren oder bei steilen Anstiegen geben diese Energie ab, die beim Bremsen wiedergewonnen werden kann. Zudem sollen die Geräuschemissionen vergleichsweise gering sein.

In Niedersachen ist Coradia iLint, wie der Brennstoffzellenzug heißt, bereits täglich im Einsatz. In Baden-Württemberg hingegen fährt er das erste Mal – von Offenburg nach Freudenstadt. Es stellt sich nämlich die Frage, wie der Zug mit der Topografie hierzulande umgeht – wird er es auch schaffen, die oft steilen Hänge und Schnee zu bewältigen? Und wenn ja, wäre ein solcher Zug für die Hermann-Hesse-Bahn (HHB) denkbar?

Eine Delegation aus Calw ist bei der Testfahrt dabei, um genau das herauszufinden. Landrat Helmut Riegger, Dezernent für Innere Organisation und ÖPNV, Andreas Knörle, Vertreter der Stadt Calw, Kreisräte, Mitarbeiter des Landratsamts. Während der Fahrt fällt auf: Leise ist der Zug nicht, das Geräusch ist lediglich anders als das eines Dieselzugs. Eher wie ein Pfeifen, also deutlich höher. "Ansonsten merkt man aber keinen Unterschied", fasst der Calwer Stadtrat Hans Necker zusammen. Wäre da nicht das hervorragende Catering an Bord, das ganz und gar nicht alltäglich ist. "Das ist dann bei der Hesse-Bahn auch dabei", verkündet Riegger scherzhaft. Bedienen werde dann Knörle höchstpersönlich. Wie um seine Pläne zu unterstreichen, beschriftet der Landrat ein herumliegendes Papp-Modell des Coradia iLint mit den Buchstaben "HHB".

Doch könnte auch ein echter Brennstoffzellenzug in der Zukunft den Namen des berühmten Schriftstellers tragen? Schon 2015 hat Riegger eine unverbindliche Absichtserklärung unterschrieben, zwei Brennstoffzellenzüge bei der HHB einzusetzen. Die Testfahrt "bestätigt unsere Linie", meint er, nachdem Coradia iLint im Zeitplan und ohne Schwierigkeiten im Freudenstädter Bahnhof eingefahren ist.

Zwar müsse man eventuell – je nachdem, ob die Züge bis zur geplanten Inbetriebnahme der HHB zur Verfügung stehen – für die ersten ein, zwei Jahre Dieselzüge leasen. Danach wolle man aber in jedem Fall auf eine umweltfreundlichere Alternative umsteigen.

"Man sieht, die Bahn schafft es auch den Berg hoch"

Der Vorteil an einem Brennstoffzellenzug sei vor allem, dass man keine Oberleitungen braucht, erklärt Holger Schwolow vom Calwer Landratsamt. Lediglich eine Tankstelle, um Wasserstoff zu laden, ist notwendig. "Wir müssen in Klausur gehen und überlegen, was am besten passt", meint Riegger. Das Entscheidende sei aber, fügt Schwolow hinzu, dass es funktioniere – obwohl der Schnee und die Steigungen es dem Zug gleich bei der Testfahrt nicht leicht machen. Aber: "Man sieht, die Bahn schafft es auch den Berg hoch", sagt der Landrat.

"Ich sehe kein Problem in der Topografie im Nordschwarzwald", bekräftigt Nikutta. Zwar habe der Zug bei der Testfahrt nach Freudenstadt lediglich 700 Höhenmeter zu bewältigen – "aber das war sehr entspannt." Durch die große Reichweite von 1000 Kilometern habe man genug Energie an Bord, dass das Fahrzeug das schaffen könne. Zudem gebe es bei Steigungen ja immer noch die Batterie. "Wir glauben, dass er überall fahren kann", betont der Sprecher.

Wie bei allem Neuen gebe es natürlich offene Fragen oder gar "Kinderkrankheiten", sagt Landrat Riegger – beispielsweise die beschlagenen Fenster oder das doch verhältnismäßig laute Geräusch des Zuges – "aber wir sind angekommen und es funktioniert", wiederholt er. Würde die HHB mit einem Brennstoffzellenzug fahren, so wäre sie bundesweit ganz vorne mit dabei. Das sei auch ein Signal an "die Nörgler" in Weil der Stadt und Renningen, meint Riegger.

"Neben dem Zug sind wir auch so gut unterwegs", erzählt er weiter. Bis März soll es eine Einigung mit dem Naturschutzbund (Nabu) geben, kündigt Riegger an. Das Team sei mit großem Engagement dabei – und man sei in Gesprächen mit Uwe Lahl, dem Ministerialdirektor im Verkehrsministerium. "Noch zwei Jahre Bauzeit, dann werden wir die Hesse-Bahn fahren." Und etwas später vielleicht mit einem Brennstoffzellenzug. Leider ohne Catering.