Das Foto aus 2014 zeigt Landrat Helmut Riegger (Mitte) bei einem Besuch der Uhlandshöhe in Bad Wildbad. Foto: Archiv: Kunert

Landkreis hat schon immer eine Willkommenskultur. 1325 Flüchtlinge erhalten große Unterstützung durch Ehrenamtliche.

Kreis Calw - "Die Situation ist schon dramatisch. Das kann man so sagen." Als Sozialdezernent des Landkreises Calw ist Norbert Weiser für die Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge im Kreisgebiet zuständig. Er weiß, dass die neue Flüchtlingswelle auch in den hiesigen Landkreis "durchschwappen" wird.

Aktuell sind im Kreis Calw 1325 Flüchtlinge untergebracht, verteilt auf alle 25 Städte und Gemeinden. Bis Jahresende erwartet Weiser insgesamt 1600 Flüchtlinge. "Wir gehen intern aber mit Blick auf die aktuelle Situation davon aus, dass die Zahl auf bis zu 2300 steigen wird" – eine nach oben offene Schätzung, wie er sagt.

Allerdings geht Weiser auch von einer Entlastung der Situation an anderer Stelle aus: "Die jetzt getroffenen Beschlüsse auf Bundesebene zur schnelleren Rückführung von Asylbewerbern aus sicheren Balkanländern werden sicher einige Kapazitäten freischaufeln."

Immerhin stammen zum Beispiel die in Nagold derzeit untergebrachten rund 140 Flüchtlinge fast zur Hälfte aus diesen Ländern.

Und dann habe die Landesregierung angesichts der gewaltigen Flüchtlingsmengen den Mindestplatzbedarf pro Flüchtling von sechs auf 4,5 Quadratmetern gesenkt. Damit kann zum Beispiel die eigentlich für 72 Personen ausgelegte, derzeit in Bau befindliche neue Flüchtlingsunterkunft in Nagold mit bis zu 100 Personen belegt werden.

"Das ist sicher keine optimale Lösung, aber immer noch besser, als die Menschen jetzt, wo es kälter wird, etwa in Zeltstädten unterzubringen." Die werde es nach wie vor im Kreis Calw nicht geben, wie man auch keine Turnhallen nutzen wolle. Und auch nicht nutzen müsse: "Uns werden jeden Tag derzeit ungenutzte Hotels und Pensionen im Kreisgebiet als Unterbringungsmöglichkeit für die Flüchtlinge angeboten", erzählt Weiser. Nicht alle seien geeignet. Aber alle Angebote würden immer auf Eignung überprüft.

"Wir sind also derzeit noch sehr gelassen, dass wir die Unterbringung der Flüchtlinge hier im Kreis zu jeder Zeit gut bewältigen werden." Platzreserven gebe es genug – vorausgesetzt, es komme nicht zu einer nochmaligen Beschleunigung des Flüchtlingszustroms. Politik des Landkreises bleibe aber immer: Immobilien, die für die Unterbringung von Flüchtlingen genutzt werden, werden immer vom Landkreis auch erworben. Wie etwa in Bad Liebenzell das ehemalige Blindenerholungsheim "Haus des Grafen", das der Kreis aus einer Insolvenz heraus übernehmen konnte.

Das reduziere Reibungsverluste in Eigentümerfragen, mache den Ablauf von Umbauten einfacher. "Wir können so schneller auf kurzfristige Herausforderungen reagieren, als wenn wir uns immer noch mit einem externen Eigentümer auseinandersetzen müssten." Da komme die derzeit extrem niedrige Zinsphase gerade richtig, auch wenn es Legende im Kreis ist, dass die Immobilienpreise auch hier durch den Zuwanderungsdruck derzeit spürbar anziehen.

Geradezu ergriffen wird Norbert Weiser, wenn er über die Unterstützung der Flüchtlinge im Kreis durch ehrenamtliche Helfer spricht. "Das, was wir da jetzt aus München an Willkommenskultur sehen, das haben wir hier schon immer."

Beispiel Bad Wildbad, wo ursprünglich einmal alle Flüchtlinge des Kreises Calw untergebracht wurden. "Da gab es von Anfang an eine sehr große Unterstützung durch Ehrenamtliche, die sich etwa um freiwillige Sprachkurse oder die Organisation und Verteilung von Spenden kümmerten." Aber auch die anderen Kommunen – Städte und Gemeinden – stünden dem in Nichts nach. Das habe sicher auch damit zu tun, dass der Landkreis keine Entscheidung in Flüchtlingsfragen gegen die betroffenen Kommunen treffe, meint Weiser. Oder Flüchtlinge "von oben herab" den Orten zuweise.

"Wenn wir vom Landkreis aus einen Standort für eine Flüchtlingsunterbringung ins Auge gefasst haben, reden wir immer zuerst mit dem Bürgermeisten, den Gemeinderäten; und führen dann auch Bürgergespräche durch." Totale Transparenz und maximale Kommunikation mit allen Beteiligten und allen Betroffenen – "das sichert Verständnis. Und auch Unterstützung."

Er selbst wohne beispielsweise in Calw-Wimberg, lässt der Sozialdezernent des Landkreises ein Blick auf den privaten Norbert Weiser zu. "Von dem neuen Flüchtlingswohnheim dort bekommen wir als Anwohner fast gar nichts mit." Nur dass das Straßenbild etwas "bunter" geworden sei vielleicht.

Aber: "Wir dürfen ja nicht vergessen: Meine Eltern zum Beispiel, die sind damals aus Schlesien hierher geflüchtet. Das ist gerade einmal eine Generation her. Da waren wir diejenigen, die auf Solidarität und Mitmenschlichkeit angewiesen waren."