Mit dem Modellprojekt "Profiler für Flüchtlinge" sind sie alle zufrieden (von links): Mathias Auch (Geschäftsführer Arbeitsagentur), Ralf Bühler (Leiter Flüchtlingssozialarbeit beim Landkreis), Agenturchef Jürgen Schwab, die beiden Profiler Bussif Ajouauo und Nadja Rinderspacher sowie Landrat Helmut Riegger und sein Sozialdezernent Norbert Weiser. Foto: Bernklau

Duo der Arbeitsagentur erfasst und unterstützt in Unterkünften Flüchtlinge, um sie schnell in Arbeitsmarkt integrieren zu können.

Kreis Calw - Über die Motivation der Flüchtlinge lässt Bussif Ajouauo keinen Zweifel aufkommen. "Alle bringen Motivation mit. Alle wollen arbeiten." Er muss es wissen. Gemeinsam mit seiner Kollegin Nadia Rinderspacher kümmert sich der Mitarbeiter der Arbeitsagentur seit Anfang September als eine Art Profiler darum, dass Flüchtlinge mit Bleibeperspektive im Kreis Calw möglichst schnell Arbeit finden.

Als die Idee aufkam, war die Lage rund um die Flüchtlinge noch lange nicht so dramatisch wie sie heute ist. Vor ein paar Monaten traf Claus Schmiedel, der SPD-Fraktionschef im Landtag, auf Calws Landrat Helmut Riegger. Irgendwann kam die Rede auf die Flüchtlingsproblematik und wie man die Asylbewerber möglichst schnell in Arbeit bringt. Es dauerte nicht lange, da stand ein Vorschlag im Raum: Warum gehen nicht die, die sich am besten mit der Vermittlung von Arbeitslosen in Arbeit auskennen – die Mitarbeiter der Arbeitsagentur – als so genannte Profiler in die Flüchtlingsunterkünfte, sondieren die Kompetenzen und versuchen sie dann auf passende Stellen zu vermitteln.

Calws Landrat Helmut Riegger stieg auf die Idee ein, kontaktierte neben der Landesarbeitsagentur auch die Agentur in Nagold und fand in deren Chef Jürgen Schwab einen spontanen Mitstreiter für die Pläne. Der hatte auch nichts dagegen einzuwenden, dass die Agenturmitarbeiter ihren Arbeitsplatz im Landratsamt haben sollten. Vorteil: So können sich die Mitarbeiter der Agentur direkt mit den Mitarbeitern des Flüchtlingssozialdienstes, die sich in den Unterkünften im Landkreis bestens auskennen, austauschen und von deren Wissen profitieren.

Die Agentur machte sich auf die Suche nach geeigneten Mitarbeitern und fand zwei von ihnen, die neben ihrer beruflichen Kompetenz eine wichtige Voraussetzung mitbringen. Der algerischstämmige Bussif Ajouauo und die marokkanisch-stämmige Nadja Rinderspacher sprechen – neben Deutsch, Englisch und Französisch – die Sprache vieler Flüchtlinge: Arabisch.

Seit September sind die beiden nun in den inzwischen sieben Gemeinschaftsunterkünften im Landkreis und den Unterkünften in den Gemeinden unterwegs und betätigen sich als Profiler. Mit Hilfe der Sozialarbeiter machen sie dort die Asylbewerber ausfindig, die für eine schnelle Integration in den Arbeitsmarkt in Frage kommen. "Da kommen nur die in Frage, die eine gute Perspektive auf ein Bleiberecht haben", stellt Landrat Helmut Riegger klar. "Dazu zählen Syrer, Afghanen, Iraker oder Afrikaner. Dazu zählen nicht die Menschen vom Westbalkan."

Gemeinsam mit den in Frage kommenden Flüchtlingen erfassen die beiden Agenturmitarbeiter dann deren Vorbildung – seien es Ausbildungs-, Schul- oder Universitätsabschlüsse. Auf diesen Kenntnissen aufbauend, gehen sie dann auf die Suche nach Arbeitsstellen.

Die Flüchtlinge ihrerseits setzen große Hoffnungen auf die beiden Profiler von der Agentur: "Sie erwarten viel von uns. Nennen uns sogar Heilige", berichtet Nadja Rinderspacher. "Sie sind alle motiviert, wollen alle arbeiten. Sie wollen das Brot für ihre Familien nicht mehr als Spende oder Almosen erhalten, sondern es sich selbst verdienen", ergänzt Bussif Ajouauo. Das bestätigt auch der Leiter der Flüchtlingssozialarbeit im Landratsamt, Ralf Bühler: "Die häufigste Frage, die man in den Unterkünften gestellt bekommt, heißt: "Habt ihr Arbeit für uns?"

Mittlerweile haben die beiden mehr als 100 in Frage kommende Flüchtlinge so registriert. Und ihre erst seit kurzer Zeit währende Arbeit hat auch schon Aufmerksamkeit in der Wirtschaft erregt. Schon etliche Anfragen von Unternehmen hätten sie erreicht, berichten sie, die nachgefragt hätten, ob für sie geeignete Arbeitskräfte unter den Flüchtlingen seien.

Bevor es aber zur konkreten Vermittlung in Arbeit kommt, ist auch aus Sicht der Profiler eines unerlässlich: das Erlernen der deutschen Sprache in Schrift und Wort. Dazu bekommt der Landkreis nun besondere Unterstützung vom Land – nicht nur 70 000 Euro sondern auch die Genehmigung, dass auch Flüchtlinge, die noch kein definitives Bleiberecht haben, diese Kurse besuchen dürfen.

Für die Führungsriege von Landratsamt und Arbeitsagentur ist der eingeschlagene Weg genau der richtige. "Die Menschen suchen Zukunft. Und Zukunft heißt für sie, ihre Familie durch ihre eigene Arbeit ernähren zu können", so Kreischef Helmut Riegger. "Deshalb ist Arbeit ein optimales Mittel der Integration."

Agenturchef Jürgen Schwab sieht es als genau richtig an, in dieser Sache so früh wie möglich an die Menschen heranzugehen und lobt dabei ausdrücklich die Kooperation zwischen der Agentur und der Landkreisverwaltung. "Das Zusammenspiel funktioniert hervorragend", zeigt sich auch Sozialdezernent Norbert Weiser begeistert. Angesichts des positiven Verlaufs des bisher noch als Modellversuch laufenden Projekts will Agenturchef Schwab das Modell zur Regel machen und die Profiler bald im gesamten Bereich der Arbeitsagentur Nagold-Pforzheim einsetzen.