Das Landgericht Tübingen verhandelt einen weiteren Missbrauchsfall. Foto: M. Bernklau

43-Jähriger muss sich vor Gericht verantworten. Beim ersten Mal war Mädchen im Kindergartenalter.

Tübingen/Kreis Calw - Er soll seine Nichte bei wechselseitigen Familienbesuchen mehrfach missbraucht haben. Deshalb steht ein gelernter Werkzeugmechaniker aus dem Calwer Kreisgebiet seit Donnerstag vor dem Tübinger Landgericht.

Vier Übergriffe wirft Staatsanwältin Rotraud Hölscher dem 43-Jährigen vor. Der erste soll vor acht Jahren an seinem damaligen Wohnort im Enzkreis passiert sein, als das Mädchen noch im Kindergartenalter war – und zu Besuch beim Onkel. Er habe das Kind aufgefordert, sich auszuziehen und aufs Bett zu legen. Danach habe er das Mädchen nicht nur gestreichelt, sondern sei laut Anklage "zumindest teilweise" mit dem Finger in sie eingedrungen.

Ähnliches soll drei Jahre später bei einem Gegenbesuch geschehen sein, als er die Nichte im Kinderzimmer auf den Schoß nahm; und später ein weiteres Mal am heutigen Wohnort des Mannes im Nordschwarzwald. Dabei habe sich das Kind gewehrt: "Ich will das nicht."

Vorsitzender kündigt vor Aussage einen möglichen "Deal" an

Diese drei Fälle wertet die Anklage als schweren Missbrauch. Nach einem weiteren mutmaßlichen Übergriff im Zimmer seiner Söhne, bei dem der Mann das Mädchen am Po gestreichelt und zum Küssen aufgefordert habe, kamen die Vorwürfe vor gut einem Jahr durch eine Psychologin ans Licht. Bei ihr ist die mittlerweile 14-jährige wegen Depressionen in Behandlung.

Noch bevor sich der Angeklagte knapp zur Person und ausführlicher zu seinen momentan sehr schwierigen Familienverhältnissen äußerte, kündigte der Vorsitzende Armin Ernst an, dass die Jugendstrafkammer einen Verständigungsvorschlag machen werde, um dem Mädchen die Zeugenvernehmung zu ersparen und dem Mann gegen ein Geständnis einen gewissen Strafnachlass zuzusagen.

Wegen der Trennung seiner Eltern zunächst bei der Großmutter aufgewachsen, so der Angeklagte, schloss er – später bei Mutter und Stiefvater zuhause – die Hauptschule ab. Seine Wunschberufe Polizist oder Rettungssanitäter seien ihm verwehrt worden. Nach der Lehre und dem Zivildienst beim Roten Kreuz arbeitete er oft mit Zeitverträgen oder für Leiharbeitsfirmen und schließlich "endlich in meinem Wunschberuf", bei einer Hilfsorganisation. Nach der Heirat im Jahr 2011 kamen zunächst ein Sohn, später zwei weitere Kinder zur Welt.

Zwar habe er von seiner Herkunftsfamilie keine Unterstützung bekommen, sagte der in verschiedenen Organisationen ehrenamtlich engagierte Familienvater, aber die Kollegen und Vorgesetzten gäben viel Hilfe und Zuspruch. Der Chef sei auch über die Anklage im Bilde.

Nachdem die Ermittler ausgesagt haben, wird der Prozess am 5. Februar fortgesetzt. Dann soll Verteidiger York Fratzky zunächst erklären, ob sein Mandant den Verständigungsvorschlag der Kammer ("Deal") annimmt.