Das Nagolder Seniorenzentrum Martha-Maria setzt ein generelles Besuchsverbot um. Foto: Fritsch

Angehörige dürfen Familienmitglieder nicht mehr besuchen. Schutz der Bewohner und Mitarbeiter hat Priorität.

Kreis Calw - Ältere Menschen mit Vorerkrankungen sind besonders gefährdet, sich mit dem grassierenden Coronavirus zu infizieren. Auch Seniorenzentren in der Region haben auf die Corona-Krise reagiert – und zwar mit Besuchsverboten für die Angehörigen der Bewohner.

 

"Gerade wenn man älter ist, muss man den Partner öfter umarmen", sagte einst Barbara Bush, einstmals Ehefrau des verstorbenen Ex-US-Präsidenten George Bush. So gut gemeint Barbara Bushs Ratschlag auch gewesen sein mag, wird in Zeiten des Coronavirus eher dazu geraten, Abstand voneinander zu halten: "Halten wir heute voneinander Abstand, damit wir uns morgen wieder umarmen können", passte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Barbara Bushs Ratschlag an die aktuelle Krisenzeit an.

Newsblog zur Ausbreitung des Coronavirus in der Region

Zwar ist der Krankheitsverlauf bei einer Infizierung mit dem Coronavirus bei einer großen Mehrheit der Bevölkerung moderat, es kann aber auch – vor allem bei älteren Menschen – zu sehr ernsthaften und kritischen Verläufen kommen. Um gerade die besonders gefährdeten Gruppen wie chronisch kranke, pflegebedürftige und ältere Menschen vor dem Virus zu schützen, hatte das Landratsamt Calw den Seniorenheimen im Kreis in der vergangenen Woche vorgeschrieben, Besuchsverbote zu verhängen.

Regelung wird weiter verschärft

"Für uns steht der Schutz der Bewohner im Vordergrund", erklärt Tina Valentic, die im Sozialdienst des Seniorenzentrums Martha-Maria tätig ist. Schon seit dem vergangenen Dienstag werden Angehörige nicht mehr in das in der Nagolder Uferstraße angesiedelte Seniorenzentrum hineingelassen.

Allerdings konnten Angehörige ihre Verwandten bis zum Sonntag noch außerhalb der Räumlichkeiten des Seniorenzentrums im Freien treffen. Doch nachdem am Sonntag dutzende Angehörige "explosionsartig" und teilweise "in Scharen" vor dem Seniorenzentrum gestanden seien, um ihre Familienmitglieder für einen schönen gemeinsamen Tag aus dem Seniorenzentrum "abzuholen", seien die Hausregelungen – auch nachdem sich das Landratsamt Calw erneut eingeschaltet hatte – am Montag weiter verschärft worden, berichtet Tina Valentic.

So wurde am Montag eine Regelung eingeführt, wonach Angehörige ihre Familienmitglieder unter der Woche nur noch zwischen 13.30 und 16.30 Uhr sowie an Samstagen zwischen 9 und 12 Uhr außerhalb des Hauses treffen könnten.

Doch schon am nächsten Tag waren auch diese Neuregelungen hinfällig, nachdem die Landesregierung am Montag die neue Corona-Verordnung erlassen hatte, die am Dienstag in Kraft getreten ist und unter anderem auch Vorschriften "zum Schutz besonders gefährdeter Personen" enthält. Seit Inkrafttreten der Corona-Verordnung gilt beim Seniorenzentrum Martha-Maria ein generelles Kontaktverbot zwischen Angehörigen und ihren in der Uferstraße betreuten Verwandten.

Wer jünger als 16 Jahre alt ist, darf bei den "Notfall-Besuchen" nicht dabei sein

"Besuche sind jetzt nur noch im Notfall erlaubt", erklärt Tina Valentic. Allerdings dürften sich je Besuch fortan maximal zwei Angehörige mit ihren Verwandten außerhalb des Hauses treffen, anstatt mit zehn oder mehr Angehörigen, wie es an dem sonnigen Sonntag teilweise der Fall gewesen sein soll. Die "Notfall-Besuchszeiten" sind von Montag bis Freitag zwischen 13.30 bis 15.30 Uhr sowie am Samstag zwischen 9.30 und 11.30 Uhr. Wer jünger als 16 Jahre alt ist, darf an den "Notfall-Besuchen" nicht teilnehmen. Angesichts der hohen Ansteckungsgefahr brauche man "jetzt keinen Oma-Tourismus", bemerkt Tina Valentic.

"Das Gewusel im Haus ist nicht mehr da", bedauert die Mitarbeiterin des Sozialdienstes. Allerdings habe man die Angebote im Haus hochgefahren. So finde einmal die Woche ein Bingo-Mittag statt. Der Bingo-Mittag sei zwar nicht neu, bis vor kurzem jedoch immer nur einmal im Monat ausgetragen worden.

Wer am frühen Morgen beim Bastel-Angebot oder beim Gymnastiktraining nicht mitmachen möchte, kann sich stattdessen auch einen Film ansehen – "Film am Morgen" heißt das neueste Angebot des Seniorenzentrums Martha-Maria. Die in den 80er-Jahren beliebte ZDF-Serie "Nesthäckchen" steht derzeit auf dem Programm. Die ersten drei Episoden wurden schon gemeinsam geschaut. Am Freitag, Samstag und Montag sollen die nächsten drei Episoden der Kultserie gesehen werden, erzählt Tina Valentic.

Bewohner, die gerne an die frische Luft möchten, könnten sich zum Beispiel im Garten aufhalten, der mit den Bewohnern hergerichtet worden sei. Fittere Bewohner dürften auch allein oder zu zweit das Haus für einen kleinen Spaziergang im "Kleb vor der Tür" verlassen, sollen sich aber nicht mit ihren Familien verabreden, merkt Tina Valentic an. Wie sie beobachten kann, verbringen die Senioren auch auf den Balkonen gerne ihre Freizeit: "Der Hausmeister hat die Balkone schön gemacht", sagt die Mitarbeiterin des Sozialdienstes.

Im Seniorenzentrum Emmaus müssen Bewohner auf Feste und Programme verzichten

Wie das Seniorenzentrum Martha-Maria hat auch das Seniorenzentrum Emmaus im Haiterbacher Stadtteil Beihingen ein generelles Besuchsverbot verhängt. Dort sind die Türen schon seit dem 6. März geschlossen. Einzig Besuche von engen Angehörigen von palliativen Bewohnern bleiben im Seniorenzentrum Emmaus erlaubt. Für die Angehörigen sei es "natürlich eine schwierige Situation, dass die Besuche derzeit nicht stattfinden können", sagt die stellvertretende Einrichtungsleiterin Ruth Müller.

Aber auch für die Bewohner sei das Alltagsleben nicht einfach. Sie müssten auf Feste und sonstige Programme wie den Frauenkreis, den Männerstammtisch oder den Kreativnachmittag bis auf Weiteres verzichten. "Und auch alle anderen Dienstleister wie Friseur, Fußpflege et cetera entfallen ebenso", fügt Ruth Müller hinzu. Trotz allem versuche man den Alltag für die Bewohner "so angenehm wie möglich" zu gestalten.

Für die Mitarbeiter sei der neue Arbeitsalltag allerdings auch nicht einfach, da der Umgang mit der neuen Situation "eine psychische Belastung" darstelle. Dienstpläne würden umgeschrieben, um etwa arbeitenden Müttern die Betreuung ihrer Kinder zu ermöglichen. Das Personal werde "sehr engmaschig geschult", die Hygienemaßnahmen würden "massiv intensiviert". Die dynamische Situation der Pandemie erfordere, so Ruth Müller, "eine tägliche Anpassung der Maßnahmen".

Ein ähnliches Bild zeichnet sich im Altensteiger Seniorenzentrum Sonnenhalde ab, wo in der vergangenen Woche ebenfalls ein Besuchsverbot verhängt wurde. Besuche sind dort nur noch während der Palliativ-Phase erlaubt. Einrichtungsleiterin Ivanka Nagel erklärt, dass die Reaktionen der Angehörigen zu der getroffenen Maßnahme insgesamt "gut" gewesen seien, auch wenn "drei Angehörige zunächst etwas unzufrieden" gewesen seien. Nachdem ihnen aber eingehend dargelegt worden sei, dass das Besuchsverbot dem Schutz der Bewohner diene, hätten auch die wenigen unzufriedenen Angehörigen von der Wichtigkeit der getroffenen Maßnahme überzeugt werden können, so Ivanka Nagel.

"Das Wohl und die Gesundheit der Bewohner und Mitarbeiter hat für uns oberste Priorität"

Im Jettinger Pflegeheim Franziska-von-Hohenheim-Stift gilt seit Samstag ein Besuchsverbot, und zwar "für eine unbestimmte Zeit", wie Wolfgang Heubach, Pressesprecher des DRK-Kreisverbands Böblingen unserer Zeitung mitteilt. Auf telefonischem Wege stünden die Angehörigen aber weiterhin mit ihren Familienmitgliedern in Kontakt. Auch könnten Angehörige die Wäsche ihrer Verwandten austauschen und sie "vor dem Haus abgeben".

Zwar gebe es in der Jettinger Altenhilfeeinrichtung keinen Coronavirus-Fall. Da aber gerade ältere Menschen besonders gefährdet seien, sich mit dem Coronavirus zu infizieren, habe man mit dem Besuchsverbot eine "reine Vorsichtsmaßnahme" treffen wollen, erklärt Wolfgang Heubach und fügt hinzu: "Das Wohl und die Gesundheit der Bewohner und Mitarbeiter hat für uns oberste Priorität."