Die Verantwortlichen beim Pressetermin: Sozialdezernent Benjamin Geigl, Julian Aleker, Leiter des Amts für Migration und Flüchtlinge, Landrat Klaus Michael Rückert und Bürgermeister Ralph Zimmermann. Foto: Beyer

Die Flüchtlingszahlen im Kreis sind in den vergangenen Wochen stark angestiegen. Daher müssen nun auch Turnhallen als provisorische Unterkünfte genutzt werden.

Kreis Freudenstadt/Horb - Es war eine trügerische Ruhe: In den letzten Wochen und Monaten wurde zwar nach wie vor über den Krieg in der Ukraine berichtet. Das Thema Flüchtlinge war aber aus den Schlagzeilen verschwunden. Und tatsächlich kamen im Kreis Freudenstadt nach der großen Welle im April immer weniger Geflohene aus der Ukraine an. So gab es im Juni Wochen, wo kein einziger neuer Flüchtling im Landkreis ankam – zumindest laut offizieller Zahlen.

Doch seit Juli steigen die Zahlen wieder stark. Mittlerweile werden dem Landkreis mehr als 40 Flüchtlinge pro Woche zugeteilt. Das liegt unter anderem daran, dass mittlerweile die bundesweite Verteilung greift. Gleichzeitig wird es für das Landratsamt immer schwieriger, noch private Unterkünfte für die Flüchtlinge zu finden. "Wir sind an einer Kapazitätsgrenze angelangt", stellt Landrat Klaus Michael Rückert fest.

Schon in dieser Woche ziehen die ersten Ukrainer ein

Deshalb müssen nun zum ersten mal seit Kriegsausbruch auch Sporthallen im Landkreis Freudenstadt als Flüchtlingsunterkünften genutzt werden. Den Anfang macht die Tauchsteinhalle in Horb. Diese war schon zu Beginn des Krieges als Flüchtlingsunterkunft hergerichtet worden. Genutzt wurde sie bisher aber noch nicht.

Doch nun geht alles ganz schnell. Schon in dieser Woche sollen die ersten Ukrainer in die Tauchsteinhalle einziehen. "Wenn alles optimal läuft, können wir dort 45 Menschen unterbringen", schätzt Rückert. Das bedeutet aber auch: Wenn die Zahlen weiterhin so hoch bleiben, genügt das gerade einmal für die Neuankömmlinge einer Woche. "Da brauchen wir nächste Woche gleich die nächste Halle", stellt Rückert klar. Deshalb sollen auch die beiden Stadion-Hallen für die Aufnahme von Flüchtlingen vorbereitet werden.

Containersiedlung soll an der Florianstraße entstehen

Darüber hinaus hat das Landratsamt Wohncontainer bestellt, auch wenn das laut Rückert zumindest kurzfristig keine Entlastung bringt. "Das hilft uns diesen Sommer nicht mehr, aber wenn man sie nicht bestellt, kommen sie nie." Aufgestellt werden sollen die Container laut Horbs Bürgermeister Ralph Zimmermann in der Florianstraße, wo früher das Feuerwehrhaus stand.

Doch warum werden all diese Maßnahmen – zumindest für den Moment – nur in Horb ergriffen? Tatsächlich liegt das an der bisherigen Verteilung der Flüchtlinge. Denn während Freudenstadt schon rund 300 Kriegsflüchtlinge aufgenommen hat, sind in Horb bisher nur 180 untergekommen – und das obwohl Horb mehr Einwohner hat.

An Gastfreundschaft mangelt es nicht

Der Grund für diese ungleiche Verteilung sei aber nicht mangelnde Hilfsbereitschaft, beeilt sich Rückert zu betonen. Vielmehr sei Freudenstadt eben stärker touristisch geprägt, daher gebe es dort mehr ehemalige Pensionen und daher mehr Wohnraum, den das Landratsamt für Flüchtlinge anmieten könne.

Doch wenn es so weitergeht, könnten ähnliche Maßnahmen auch in anderen Städten und Gemeinden folgen. "Ich kann es für keine Gemeinde ausschließen", so Rückert. Denn noch ist keine Entspannung der Lage in Sicht. Ganz im Gegenteil: "Wir erwarten, dass die Zahlen noch steigen werden."

Appell an die Bevölkerung

Daher appelliert Rückert nach wie vor an die Bevölkerung, Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Wer Interesse habe, seine Wohnung zu diesem Zweck zu vermieten, könne sich an die jeweilige Gemeinde wenden. Denn keiner der Flüchtlinge soll für einen längeren Zeitraum in den umfunktionierten Sporthallen wohnen müssen. Vielmehr sei es das Ziel, die Menschen in private Wohnungen zu vermitteln oder später in Wohncontainern unterzubringen. Die so freigewordenen Plätze in den Hallen sollen dann wieder von Neuankömmlingen belegt werden.

Dabei betont Rückert, dass die Wohnqualität in den Containern wesentlich höher ist, als viele denken. "Container können heutzutage hervorragend sein", meint Rückert und verweist darauf, dass derzeit sogar das Freudenstädter Krankenhaus in Containern operiere.

Schüler müssen auf andere Hallen ausweichen

Doch auch wenn das Containerdorf steht, werden die Sporthallen weiter als Unterkünfte benötigt – zumindest wenn die Zahl der Neuankömmlinge weiter so hoch bleibt. Dadurch fallen für Horber Schüler und Vereine wichtige Sportstätten weg. Bürgermeister Zimmermann kündigt daher an, gemeinsam mit den Vereinen nach Lösungen zu suchen. Der Schulsport soll in dieser Zeit in anderen Turnhallen stattfinden. Um den Transport der Schüler werde sich gekümmert. "Wir konzipieren einen Shuttle-Service", kündigt Zimmermann an.

Doch ist das alles wirklich nötig? Denn noch immer sind Plätze in den Flüchtlingsunterkünften frei, in den vor allem Migranten aus Afrika und dem Nahen Osten unterkommen. Das bestätigt auch Landrat Rückert. Nach wie vor hält das Landratsamt an der Politik fest, die Ukrainer getrennt von anderen Flüchtlingen unterzubringen.

In den Flüchtlingsunterkünften werden die Plätze knapp

Rückert hält es für keine gute Idee, beide Gruppen in den selben Unterkünften zu beherbergen. "Das würde zusätzliches Konfliktpotenzial in sich bergen." Nicht nur wegen der kulturellen Unterschiede, sondern auch deshalb, weil viele Ukrainerinnen alleine mit ihren Kindern geflohen sind – in der anderen Gruppe aber vor allem junge Männer dominieren.

Auch würde es nicht viel bringen, beide Gruppen zusammenzulegen, ist sich Rückert sicher. Denn die freien Plätze würde gerade mal genügen, um die Hälfte der wöchentlich ankommenden Ukrainer unterzubringen. Hinzu kommt, dass auch in den älteren Flüchtlingsunterkünften die Plätze langsam knapp werden. So schätzt Sozialdezernent Benjamin Geigl, dass schon im Oktober auch diese Unterkünfte voll sind. Hier tut sich also schon das nächste Problem auf: "Ich kann nicht ausschließen, dass bald auch Flüchtlinge aus anderen Ländern in Hallen untergebracht werden müssen", warnt Rückert.