Von links: Nagolds Oberbürgermeister Jürgen Großmann, Rohrdorfs Bürgermeister Joachim Flik, die Vermessungsingenieurin Anna Weinbender, Dieter E. Brösamle, Vorsitzender des Gemeinsamen Gutachterausschusses Oberes Nagoldtal, Sabrina da Silva Faria, Dekra-zertifizierte Sachverständige Immobilienbewertung, und Ebhausen Bürgermeister Volker Schuler. Foto: Kunert

Der Begriff "Bodenrichtwert" klingt erst einmal dröge. Aber er wird künftig jeden, wirklich jeden tangieren – als Grundlage für die neue, künftige Grundsteuer. Hier hatte das Bundesverfassungsgericht eine Neuregelung angeordnet. Und in Nagold reagiert man darauf schneller als anderswo.

Nagold - Pressegespräch im Nagolder Rathaus. Gastgeber ist Dieter E. Brösamle, Vorsitzender des Gemeinsamen Gutachterausschusses Oberes Nagoldtal. Das Thema ist komplex, dazu kommen viele Neuerungen. Mit dabei die beiden Frauen aus der Geschäftsstelle des Nagolder Gutachterausschusses, Anna Weinbender und Sabrina da Silva Faria. Sowie Nagolds Oberbürgermeister Jürgen Großmann und seine Amtskollegen aus Rohrdorf, Joachim Flik, und Ebhausen, Volker Schuler.

Eigentlicher Anlass für den Termin: Seit Anfang des Jahres sind die Bodenrichtwerte für Nagold, Rohrdorf und Ebhausen über ein Informations-Portal des Landes Baden-Württemberg ("BORIS" - abrufbar via: www.gutachterausschuesse-bw.de) für jedermann online zugänglich. Adressen- und Flurstück-genau können die Bodenrichtwerte abgerufen werden, nebst reichlich Zusatzinformationen. Die Besonderheit: "Wir sind mit unseren Daten schneller online als aller anderen Gutachterausschüsse im Landkreis", so Brösamle. Und auch im weiten Umkreis weist "Boris" noch reichlich Regionen ohne verfügbaren Datenbestand aus.

Stichtag: 30. Juni 2022

Erst einen Tag vor Heiligabend hat der hiesige Gutachterausschuss mit dem Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung Stuttgart (LGL) als Betreiber von "BORIS" eine Vereinbarung zur Übernahme der örtlichen Bodenrichtwertdaten in das Bodenrichtwertinformationssystem Baden-Württemberg (wie "BORIS" ausgeschrieben heißt) unterzeichnet. Und wiederum nur einen Tag vorher – am 22. Dezember 2021 – hatte die Landesregierung Baden-Württemberg ihr "Gesetz zur Änderung des Landesgrundsteuergesetzes und zur Einführung eines gesonderten Hebesatzrechts zur Mobilisierung von Bauland" verabschiedet, wobei ein Stichtag auf dem 30. Juni 2022 festgelegt wurde, bis zu dem spätestens eben alle diese Bodenrichtwerte für den sogenannten "Hauptfeststellungszeitpunkt 1. Januar 2022 als Grundlage für die Grundsteuererhebung ab 2025" veröffentlicht werden müssen.

Heißt: Grundbesitzer müssen zu diesem Stichtag gegenüber ihrem Finanzamt – basierend auf den in "BORIS" veröffentlichten Bodenrichtwerten – eine Erklärung über den Grundsteuerwert ihres Grundbesitzes abgeben. Der Grundsteuerwert ergibt sich dabei durch Multiplikation der Grundstücksfläche mit dem jeweiligen zugeordneten Bodenrichtwert zum "Hauptfeststellungszeitpunkt". Durch anschließende Multiplikation mit der gesetzlich festgelegten Steuermesszahl errechnet sich dann der künftige, allerdings erst ab 2025 wirksame Steuermessbetrag. Dieser wird schließlich mit dem Hebesatz der Gemeinde multipliziert und ergibt so letztlich die künftige neue, jährlich zu entrichtende Grundsteuer.

Exzellente Daten

Übrigens: auch für die beteiligten Kommunen ist die genaue Höhe der künftigen Grundsteuer noch eine "echte Wundertüte" (Zitat OB Großmann) mit vielen Unbekannten. Erst einmal aber freue man sich außerordentlich darüber, dass man "ganz vorne mit dabei sei", exzellente Daten für die künftige Erhebung der Grundsteuer zu haben. Hintergrund dazu: Nagolds Chef des Gutachterausschusses, Dieter E. Brösamle, war über verschiedene Gremien wie dem Deutschen Städtetag an der Novellierung der neuen Gesetzgebung zur Grundsteuer und deren praktischen Ausgestaltung beteiligt. "Herr Brösamle hat sich hier große Verdienste erworben" – um die Weiterentwicklung der Bodenrichtwerte und deren Nutzung für die künftige Berechnung der Grundsteuer. Ein Einflussfaktor, von dem Nagold nun, so Großmann, sehr profitiere. Denn die künftigen (ab 2025 wirksamen) Grundsteuer-Bescheide würden hier "auf sehr sicherer Rechtsgrundlage" ausgestellt werden können.

Gehen die Beträge sprunghaft nach oben?

Was wichtig sei – denn die neue Berechnungsgrundlage werde sicher, so die Erwartung von Großmann, für "erhebliche Steigerungen bei der Bemessungsgrundlage" sorgen – sprich: Die zu zahlenden Beträge könnten sprunghaft nach oben schnellen. "Das kann schon sehr krass werden", so der OB. Weshalb er damit rechnet, dass "viele Empfänger die neuen Bescheide rechtlich überprüfen lassen werden". Deshalb der große Wert der erwähnten Rechtssicherheit. Allerdings: Großmann verspricht – und dem stimmen seine Kollegen aus Rohrdorf und Ebhausen zu – dass man die tatsächliche Entwicklung der Grundsteuer-Beträge "selbstkritisch beobachten" werde, um die Bürger nicht zu sehr zu belasten. Notfalls werde man auch mit dem Gemeinderat "Hebesätze nachkorrigieren" - sprich: reduzieren – um mögliche Härten zu vermeiden.

Allerdings macht Rohrdorfs Bürgermeister Joachim Flik auch klar: Bisher sei die Grundsteuer "viel zu niedrig", weil sie über Jahrzehnte nicht an die tatsächliche Wertentwicklung bei den Grundstücken angepasst worden sei. "Das hätte schon vor Jahren gemacht werden müssen!" Und Kollege Schuler ergänzt: "Wir sind froh, dass wir jetzt auf diesem Level sind!", ultimativ rechtssichere Daten für die Neuberechnung der Grundsteuer vorhalten zu können. "Eine echte Sisyphos-Arbeit" für den Gutachterausschuss. Die aber garantiere: "Nur aktuelle Daten sind gute Daten."

Haiterbach und Wildberg folgen

Bleibt noch nachzutragen, dass der Gemeinsame Gutachterausschusses Oberes Nagoldtal mittlerweile ja auch für die Bodenrichtwerte für Wildberg und – ganz neu – für Haiterbach zuständig ist. Hier wird das Einpflegen der aktuellen Daten in "BORIS" noch einige Zeit in Anspruch nahmen, aber ebenfalls "schnellstmöglich" (Brösamle) realisiert. Die räumliche Zuständigkeit des gemeinsamen Gutachterausschusses Oberes Nagoldtal wird sich damit zukünftig auf eine gesamte Gebietsfläche von 177,19 Quadratkilometern erstrecken und ein jährliches Kaufpreisvolumen auf dem Immobilienmarkt (die Daten-Basis für die Berechnung der Bodenrichtwerte) von aktuell rund 170 Millionen Euro umfassen. Die Zahl der separat aufgeschlüsselten Bodenrichtwertzonen wächst zudem von zuletzt 583 auf künftig 700 Bodenrichtwertzonen.