Homöopathie hat außer dem Placebo-Effekt keine nachweisbare Wirkung, deshalb ist es an der Zeit, sie als Kassenleistung zu streichen, findet unser Berliner Korrespondent Norbert Wallet.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will die Homöopathie als Kassenleistung streichen. Um gleich ein Missverständnis auszuräumen: Mit dem Thema Kostendämpfung im Gesundheitswesen hat das gar nichts zu tun. Die Ausgaben für die Zuckerkügelchen, die manche Kassen im Zuge ihrer freiwilligen Leistungen übernehmen, belaufen sich auf einen zweistelligen Millionenbetrag. Angesichts von Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung, die sich 2022 auf 289 Milliarden Euro beliefen, ist das eine zu vernachlässigende, sozusagen homöopathische Größe. Es ist auch nicht so, dass die Hersteller auf die Kostenübernahme in irgendeiner Form angewiesen wären. Die ist eher für das Prestige gut, weil die Kassen mit ihren Zuschüssen der Branche den Schein wissenschaftlicher Hoffähigkeit verleihen.
Politisch ist der Streit unklug
Man kann es also aus guten Gründen politisch ausgesprochen unklug finden, dass der Minister hier einen neuen Kampfplatz eröffnet. Es ist ja nicht so, dass es ihm gerade daran mangelt.
Warum geht Lauterbach diesem Konflikt also nicht aus dem Weg? Es geht ihm um ein Prinzip – und mit seinem Beharren darauf hat er vollkommen recht. Dieser Grundsatz ist ganz einfach und für jedermann nachvollziehbar: Medizin ist eine Wissenschaft. Wissenschaft bedeutet die Verpflichtung auf strikte Evidenzbasierung. Das heißt, Medikamente und Heilverfahren müssen den Nachweis ihrer Wirksamkeit, jenseits von Placebo-Effekten, erbringen. Wohlgemerkt, den wissenschaftlichen Nachweis. Ein bloßes Gefühl, ein Verdacht, ein Hörensagen reichen nicht. Diesen Nachweis kann die Homöopathie nicht erbringen, mögen ihre Jünger und Gläubigen noch so sehr beschwören, dass die Kügelchen doch „irgendwie“ helfen. Medizin muss an wissenschaftliche Evidenz gebunden sein, nicht an Glauben.
Es geht nicht um ein Verbot
Wer diesen Zusammenhang auflöst, kommt auf eine schiefe Ebene. Es gibt ein überreiches Angebot an Praktiken, die ihren Anhängern Hilfe versprechen und möglicherweise gewisse Effekte mit sich bringen: Heiltrommeln, Wallfahrten, Extremfasten, Gebetskreise, Meditationsübungen, das Tragen von Amuletten und der feste Glaube an die Wirkung von Heilsteinen – es mag sein, dass das alles dem einen oder anderen tatsächlich hilft. Das muss man nicht bestreiten, und das gilt auch für die Homöopathie. Nur ist das nicht der Punkt: Das Geld der Versicherten darf nur für Verfahren ausgegeben werden, die rationalen Überprüfungskriterien zugänglich sind – eben wissenschaftlich nachweisbar wirken. Das ist bei der Homöopathie nicht der Fall. Deshalb handelt Lauterbach genau richtig.
Wohlgemerkt geht es nicht um ein Verbot. Jeder kann sich mit beliebig vielen Globuli behandeln, schaden können die minimalst dosierten Kügelchen ohnehin nicht. Den Kassen steht sogar der Weg offen, den Weg zu privaten Zusatzversicherungen zu weisen. Das ist alles gut und schön, nur sollten eben keine Beitragsgelder der Versicherten dafür ausgegeben werden.
Sektenhafte Realitätsverweigerung
Neben diesen auf der Hand liegenden wissenschaftlichen und finanziellen Erwägungen spricht auch eine wichtige politische Erwägung für Lauterbachs Vorgehen. Es gibt eine leider nicht zu unterschätzende Strömung in der Gesellschaft, Fakten zu ignorieren, wissenschaftliche Erkenntnisse zu leugnen und durch in Eigenbau zusammengeschwurbelte Ad-hoc-Theorien zu ersetzen. Die Spur dieser sektenhaften Realitätsverweigerung zieht sich von abstrusen Begründungen für die Ablehnung von Impfungen bis zur Leugnung des Klimawandels. Es ist gut, dass der Minister hier an einem Beispiel demonstriert, dass sich die Politik an Fakten orientiert, nicht an irrlichternder Gefühligkeit.