Alarmierende Zahlen: In der Ortenau waren 2015 noch 224 AOK-Versicherte in ambulanter oder stationärer Versorgung, 2018 fiel die 300er-Marke, 2019 wurden schließlich 367 Versicherte gezählt. Foto: AOK Südlicher Oberrhein

Gesundheit: 370 Ortenauer AOK-Versicherte 2019 in Behandlung

Ortenau - Der Cannabis-Konsum im Kreis ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Das legen die zahlen der AOK Südlicher Oberrhein nahe. Fast 370 Ortenauer Versicherte befanden sich 2019 nach Cannabis-Missbrauch in ärztlicher Behandlung.

Einer Umfrage zufolge haben 2018 in Deutschland etwa 3,7 Millionen erwachsene Menschen mindestens einmal innerhalb der letzten 12 Monate Cannabis, Marihuana, Haschisch oder Gras konsumiert. Das entspricht mehr als sieben Prozent der Bevölkerung, teilt die AOK Südlicher Oberrhein mit – Tendenz steigend.

Auch die Zahlen in der Ortenau lassen aufhorchen: 2019 mussten 367 Versicherte im Kreis nach Cannabis-Missbrauch ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen. Mit 299 Versicherten sind die Männer hier deutlich stärker betroffen als die Frauen (68 Versicherte). Diese Zahlen hat die AOK in den Reihen ihrer Versicherten ermittelt.

Auch in den benachbarten Kreisen haben die Männer die Nase deutlich vorne. Im Landkreis Emmendingen nennt die AOK 30 weibliche und 107 männliche Versicherte, im Kreis Breisgau-Hochschwarzwald 31 zu 122 und in Freiburg 77 zu 231 Versicherte. Allerdings: "In der Statistik erscheinen nur diejenigen, die nach einem Missbrauch auch tatsächlich medizinisch versorgt werden mussten", erklärt Tobias Rauber, Leiter des AOK-Kunden-Centers in Offenburg. "Das lässt keine Rückschlüsse auf die tatsächliche Zahl der Konsumenten zu", so Rauber. Das ließe sich allenfalls vermuten. Besonders alarmierend sind für ihn die steigenden Zahlen: In der Ortenau waren 2015 noch 224 Versicherte in ambulanter oder stationärer Versorgung, 2018 fiel die 300er-Marke, 2019 wurden schließlich 367 versorgte Versicherte gezählt. Von 2015 bis 2019 sind die Behandlungen wegen Hasch-Konsums von AOK-Versicherten im Ortenaukreis im Schnitt um jährlich 8,7 Prozent gestiegen, in Baden-Württemberg um 7,8 Prozent.

Der Cannabis-Konsum ist nach wie vor auch ein Politikum: Kurz vor der Bundestagswahl positionieren sich etwa einige Parteien zum Thema Legalisierung, obwohl sich zahlreiche Mediziner dagegen aussprechen. "Welche Wirkungen der Konsum von Cannabis ausübt und wie stark diese sind, hängen von mehreren Faktoren", erklärt AOK-Mediziner Hans-Peter Zipp.

Abhängigkeitspotenzial gleichauf mit Alkohol

"Neben einer entspannenden und stimmungsaufhellenden Wirkung können sich auch unangenehme Auswirkungen bemerkbar machen, wie Unruhe, niedergedrückte Stimmung aber auch Angststörungen und Depressivität", so der Mediziner. Cannabis berge zudem ein erhöhtes Risiko für die Atmung und das Herz und Gefäßsystem betreffende Symptome bis hin zum Kreislaufkollaps, so die AOK. Auch würden vermehrt Halluzinationen, Schizophrenie und psychotische Episoden bei chronischen Konsumenten beobachtet.

Auf einer entsprechenden Skala zum Abhängigkeitspotenzial läge Hanf ungefähr vergleichbar mit Alkohol und Nikotin. Oft werde eine Abhängigkeit auch von einer allgemeinen Rückzugstendenz bis hin zur sozialen Isolation begleitet – ein Aspekt, der gerade in Corona-Zeiten besondere Brisanz bekommt. Studien aus Kanada und den Niederlanden zeigten etwa, dass sich Menschen im Lockdown häufiger einsam fühlen, sich langweilen und insbesondere bereits Cannabis-Konsumenten häufiger zum Joint greifen als vor der Pandemie, so die AOK.

Hilfesuchenden stehen das Team des Sozialen Dienstes der AOK Südlicher Oberrhein sowie die Suchtberatungsstellen zur Seite. Vanessa Krässig von der AOK bietet Beratung und vermittelt auch Selbsthilfegruppen unter Telefon 07821/92 81 36. Die Kontaktdaten der Suchtberatungsstellen finden sich auf der Webseite suchthilfenetzwerk.ortenaukreis.de. Das Netzwerk ist ein Zusammenschluss aller Einrichtungen, Institutionen und Gruppen im Ortenaukreis. Auf der Seite finden sich auch Infos zu den Themenschwerpunkten Sucht im Alter, Alkohol und Glücksspiel.