Die Szene am Kottbusser Tor soll besser gelenkt werden. Foto: dpa

Bezirksbürgermeister Schulz will Junkies auf Verkehrsinsel unter U-Bahn-Trasse verbannen.

Berlin - Als Stadtplaner-Entwurf sieht diese steinerne Insel im Berliner Bezirk Kreuzberg-Friedrichshain sehr idyllisch aus. Der Platz unter der U-Bahn-Hochtrasse Kottbusser Tor ist mit Mosaik-Mustern verziert, Hecken umgrenzen ihn, es gibt Sitzbänke, ein Toilettenhäuschen, einen Kiosk in der Nähe des Fahrstuhls und Treppen zu den U-Bahnen. "Der Bezirk gestaltet diese Insel im Rahmen der Hochbahnsanierung völlig neu", sagt ein Sprecher. Für 150000 Euro. Umtost allerdings wird der Platz vom Lärm des Straßenverkehrs, der sich hier wie jeher dicht an dicht auf einer Stadttangente entlangschiebt.

Ob dieser Ort jene Menschen zum Verweilen einlädt, die sich hier ausdrücklich aufhalten sollen? Jene Alkohol- und Drogenabhängigen nämlich, die vielen Geschäftsleuten und Anwohnern ein Dorn im Auge sind?

"Nicht die netten Alkis und Kiffer - sondern harte Junkies"

Bezirksbürgermeister Franz Schulz will diese Insel als Hort der Gestrandeten zumindest testen. Seit mehr als drei Jahrzehnten lagert am Kottbusser Tor eine Trinker- und Drogenszene auf den Gehwegen und an den Zugängen zur U-Bahn. Lange wurde sie geduldet, schließlich hat sich der Bezirk mit den so unterschiedlichen Szene-Treffs den Ruf verdient, tolerant zu sein und bunt.

Doch die Abhängigen-Szene ändert sich. "Sie werden aggressiver. Das sind nicht mehr die letztlich netten Alkis und Kiffer, sondern Drogendealer und harte Junkies, die aus anderen Stadtteilen vertrieben worden sind", klagen Vertreter der angesiedelten Gewerbetreibenden. Einige Geschäftsinhaber könnten die Mieten nicht mehr aufbringen, weil die Kunden zurückschreckten und Familien mit Kindern den Kiez meideten: "Auf unseren Toiletten finden wir blutige Heroinspritzen, und an den Wänden klebt das Zeug auch. Es sind zu viele geworden." Der Grüne Bezirksbürgermeister Franz Schulz macht sich regelmäßig ein Bild der Szene. "Es geht nicht an, dass die Leute, die hier wohnen, kaum mehr die U-Bahn-Treppen hinaufkommen."

Die Insel liegt auf einer vielbefahrenen Straße

Nun also eine Trinkerinsel - wahlweise Trinkatoll oder Trinkerreservat genannt. Die Opposition hält das Vorhaben für wenig zielführend, wird es aber wegen fehlender Mehrheit nicht verhindern können. "Was wird das hier? Betreutes Trinken?", fragt einer, der nach Ansicht der Bezirksvorsteher reif für die Insel ist: "Mitten auf der Straße nen Platz bauen, hinter Sträuchern verstecken - dann könnense doch gleich einen Zaun drummachen und Eintritt nehmen."

Einige Anwohner halten von dem Projekt ebenfalls nicht viel. "Der Fahrstuhl zur U-Bahn liegt ebenfalls auf dieser Insel - wir müssen also auch künftig mit Kindern oder Rädern immer an den Junkies vorbei." Andere sorgen sich trotzdem mehr um die Sicherheit der Trinker. Ein Kunde, der aus einem Supermarkt kommt und einen bettelnden Junkie kurz anlächelt, sagt: "Die Insel liegt mitten in diesem vielbefahrenen Verkehrskreisel, auf den fünf Straßen stoßen. Was, wenn die Jungs angetrunken über die Straße laufen, stürzen oder einfach nicht den Weg über die Treppen finden?"

Trinkerinsel kommt frühestens Anfang 2011

Ein paar Kilometer weiter wird Alkoholabhängigen bereits ein eigener Platz mit Bänken und WC angeboten - nicht auf einer Verkehrsinsel, sondern auf einer Grünfläche. Allerdings muss der sozialarbeitende Quartiersmanager am Kreuzberger Mehringdamm schon sehr darum bitten, dass seine Klienten dort bleiben. "Denen stinkt das Klo-Häuschen, das mieft." Zwei ausrangierte Bus-Wartehäuschen soll die Abhängigen an den Ort binden. Einige Anwohner stört auch dies; andere haben den Treff nicht einmal zur Kenntnis genommen.

Berlin kann dieses Pilotprojekt (noch) nicht an Erfolgen oder Misserfolgen anderer Städte messen. Frankfurt mit seiner Drogenszene am Bahnhof, verlangt den Passanten ab, die Szene zu dulden. "Wir prüfen immer, wie ausgeprägt die Belastung ist", sagt eine Behördensprecherin. "Stadtpolizei und Sozialarbeiter versuchen, den Abhängigen möglichst individuell zu helfen. Wir erkennen keinen Sinn darin, sie zu isolieren."

In Hamburg-Mitte dagegen prüft die Verwaltung das Projekt "Hempels Sofa" - so soll ein Trinkraum heißen, der die Abhängigen ebenfalls von den Geschäften weglotsen und ihnen Anlaufstation sein soll. "Ende des Sommers werden wir wissen, ob der Versuch gestartet wird", sagt die Senatssprecherin. Die Berliner Trinker-Szene wird frühestens Anfang 2011 auf ihre Insel ziehen.