Der Rettungsdienst im Land ist mit Vollgas unterwegs – und kommt trotzdem zu häufig zu spät Foto: dpa

Der Rettungsdienst in Baden-Württemberg fährt den gesetzlichen Vorgaben seit Jahren hinterher. Auf Initiative der FDP hat sich jetzt der Landtag mit dem Thema beschäftigt – bis hin zum Eklat.

Stuttgart - Die Retter im Land kommen zu häufig zu spät. Nicht etwa, weil sie ihrer Aufgabe nicht gewachsen wären, sondern weil die Zahl der Einsätze ständig steigt. „Allein die Zahl der Notarzteinsätze ist im vergangenen Jahr um zehn Prozent nach oben gegangen“, sagt Innenminister Thomas Strobl (CDU). Zwar hat sich gleichzeitig auch die Zahl der Rettungswagen weiter erhöht, doch die Aufstockung hinkt der Entwicklung hinterher. Manche Experten, darunter viele Notärzte, fordern deshalb, die wichtige Aufgabe in die Hände der Kommunen zu legen. Bisher verhandeln die Hilfsorganisationen in jedem der 34 Rettungsdienstbereiche mit den Krankenkassen über die Ausstattung.

In diese Richtung denkt auch die FDP, auf deren Betreiben jetzt der Landtag über das Thema diskutiert hat. „Seit Jahren hören wir von der Landesregierung Absichtserklärungen, ohne dass die Situation besser wird“, sagte der innenpolitische Sprecher Ulrich Goll. Die Realität heiße Personalmangel, Nichteinhalten der gesetzlichen Vorschriften und eine mögliche Gefährdung der Bevölkerung – „trotz des großen Engagements der Retter“. Deshalb müsse man grundsätzliche Reformen erwägen, etwa eine Kommunalisierung oder in einem ersten Schritt das Zulassen privater Anbieter, wo immer „eine bedarfsgerechte Versorgung derzeit nicht gewährleistet ist“.

Die anderen Fraktionen lobten, dass der Rettungsdienst im Land grundsätzlich auf einem guten Weg sei. Allerdings müsse er weiter verbessert werden. Dabei sei die gesamte Rettungskette vom Alarm bis hin zur Übernahme im Krankenhaus zu betrachten. Alle setzen dabei auf die Erkenntnisse der neuen Qualitätssicherungsstelle für den Rettungsdienst, die derzeit Daten sammelt und auswertet.

AfD spricht von „Vetterleswirtschaft“

Empörung löste die AfD aus. Sie machte die „Monopolstellung“ des Deutschen Roten Kreuzes (DRK), das im Land gut 80 Prozent des Rettungsdienstes übernimmt, für die Situation verantwortlich. Es sei „Vetterleswirtschaft“ im Spiel, das DRK habe sich „Strukturen in der Politik aufgebaut“, so die Fraktion mit Blick auf die vielen DRK-Angehörigen auch im Landtag. Die anderen Fraktionen wiesen das scharf zurück. Die SPD sprach von einer „Frechheit“, Innenminister Strobl von „ungeheuerlichen Vorwürfen“, die „die Arbeit vieler Menschen beim DRK diskreditiert“. Im Nachgang der Debatte fordern jetzt CDU und Grüne, die AfD müsse sich beim DRK und seinen vielen Mitarbeitern „für die ungeheuerliche Verunglimpfung“ entschuldigen.

Beim Deutschen Roten Kreuz selbst reagiert man mit Unverständnis: „Es ist nicht richtig, wenn man die Leute so abqualifiziert“, sagte der Landesgeschäftsführer Hans Heinz, früher selbst CDU-Landtagsabgeordneter, unserer Zeitung. Das DRK brauche keine Lobbyisten, mit den harten Verhandlungen mit den Krankenkassen habe die Politik ohnehin nichts zu tun. „Da kann sie uns auch nicht helfen.“

Innenminister will „jede Stellschraube“ betrachten

Strobl räumte im Landtag ein, dass der Rettungsdienst „vor großen Herausforderungen“ stehe. Man müsse mit den explodierenden Einsatzzahlen zurechtkommen. „Wir werden deshalb gemeinsam mit der Qualitätssicherungsstelle jede Stellschraube im gesamten Ablauf betrachten“, kündigte er an. Man müsse auch über unbequeme Themen sprechen, etwa den immer häufigeren Missbrauch des Notrufs für leichte Fälle oder die langen Wartezeiten bei Krankentransporten, die dazu führten, dass die Betroffenen schließlich einen Rettungswagen rufen. Zudem müsse man den wachsenden Personalmangel bekämpfen.

Beim DRK geht man die Probleme auf mehreren Ebenen an. Überall, wo die gesetzlichen Vorgaben nicht eingehalten werden, leite man gemeinsam mit den Krankenkassen „umfangreiche Maßnahmen“ ein, sagt Lorenz Menz, Präsident des Landesverbandes Baden-Württemberg und früherer Staatssekretär. Es sei aber auch wichtig, die Bevölkerung besser einzubinden: „Die Rettungskette beginnt schon in den Schulen, nicht erst beim Rettungsdienst.“ Deshalb verstärkt das DRK seine Programme, um Lehrer und Schüler für das Thema zu sensibilisieren. Es ist sogar daran gedacht, bereits in Kindergärten auf spielerische Weise zu erklären, wie man Hilfe holen kann.

Stabile Zahlen beim DRK

Der Landesverband Baden-Württemberg des Deutschen Roten Kreuzes (DRK), der Württemberg und Nordbaden abdeckt, hat am Donnerstag seine Jahresbilanz vorgestellt. Demnach ist die Zahl der Fördermitglieder minimal auf 482 045 gesunken. Die Zahl der ehrenamtlich engagierten Mitglieder ist dagegen auf 47 596 gestiegen. Über 11 000 der Aktiven sind Jugendliche. Die 34 Kreisverbände beschäftigen insgesamt 8718 hauptamtliche Mitarbeiter.

Die Schwerpunkte lagen zuletzt vor allem auf sozialen Angeboten und der Arbeit in Schulen, aber auch der Flüchtlingshilfe. „Dabei haben unsere Ehrenamtlichen Großartiges geleistet“, so DRK-Präsident Lorenz Menz.