Die Griechin Eva Kaili hat einen der größten Korruptionsskandale in der Geschichte des EU-Parlaments ausgelöst. Foto: AFP/ERIC VIDAL

Der Bestechungsskandal im EU-Parlament hat die Abgeordneten schockiert. Laut wurde nach mehr Transparenz gerufen, doch schon nach kurzer Zeit scheint der Reformeifer erlahmt.

Der Aufschrei nach dem Bestechungsskandal im EU-Parlament war gewaltig, doch der Eifer bei der Aufarbeitung hat offensichtlich sehr schnell nachgelassen. Zu diesem Schluss kommt die europäische Bürgerbeauftragte Emily O’Reilly. Sie konstatiert einen wachsenden Widerstand gegen die Umsetzung von schärferen Transparenz- und Lobby-Regeln. Sie habe keinen Grund, am guten Willen von Parlamentspräsidentin Roberta Metsola zu zweifeln, sagte die Ombudsfrau am Dienstag in Brüssel. Sie sei jedoch sicher, dass es Widerstand etwa von einzelnen Abgeordneten oder Fraktionen gebe.

Einfluss von Katar und Marokko auf die EU

In dem Ende 2022 öffentlich gewordenen Bestechungsskandal geht es um mutmaßliche Einflussnahme auf Entscheidungen des EU-Parlaments durch Katar und auch Marokko. Die belgische Staatsanwaltschaft legt den Beschuldigten Korruption, Geldwäsche und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung zur Last. Der mutmaßliche Drahtzieher, Antonio Panzeri, war lange Jahre Abgeordneter im EU-Parlament. Ermittelt wird zudem gegen die frühere Vizepräsidentin des Europaparlaments, Eva Kaili. Sie steht derzeit mit elektronischer Überwachung unter Hausarrest und saß zuvor monatelang in Untersuchungshaft.

Parlamentspräsidentin Metsola sprach nach Bekanntwerden der Vorwürfe von einem Angriff auf die Demokratie. Und unter dem Eindruck des Skandals forderten auch die EU-Abgeordneten eine lückenlose Aufklärung und eine Reform der Regeln im Parlament. Doch bei der konkreten Umsetzung gibt es nun Schwierigkeiten.

Widerstand im Parlament gegen eine Abkühlperiode

Um ihre Aussage zu untermauern hat sich die Ombudsfrau Emily O’Reilly bei der Vorstellung ihres Jahresberichts ein konkretes Beispiel herausgepickt. Sie nannte den Widerstand im Parlament gegen die kürzlich eingeführte sogenannte Abkühlperiode für ehemalige Abgeordnete. Diese sollen künftig frühestens sechs Monate nach Ende ihres Mandats als Lobbyisten Tätigkeiten mit Parlamentsbezug ausüben dürfen. Nach diesen sechs Monaten sollen Ex-Abgeordnete, die als Lobbyisten arbeiten wollen, nur nach der Registrierung im Transparenzregister der EU einen Zugangsausweis zum Parlament bekommen. Bislang mussten sich ehemalige Abgeordnete mit Lobbytätigkeiten theoretisch zwar schon im Transparenzregister registrieren, sie hatten aber durch den Status als Ex-Parlamentarier ohnehin einen Zugangsausweis zum Parlament. Emily O’Reilly aber geht diese Sechs-Monaten-Regelung nicht weit genug. Der ursprüngliche Vorschlag seien zwei Jahre gewesen, sagte die Irin. Ihr Fazit: „Sechs Monate sind keine echte Abkühlperiode.“

Auch der Grünen-Europaabgeordnete Daniel Freund findet deutliche Worte für die Blockadehaltung einiger seiner Kollegen. Die Parlamentspräsidentin Metsola habe ein Paket von über einem Dutzend Maßnahmen im Kampf für mehr Transparenz und gegen die Korruption vorgelegt, sagt er. Umgesetzt sei davon aber praktisch nichts. „Wir sind weit entfernt von der Aufarbeitung des Skandals“, lautet Daniel Freunds ernüchternde Bilanz, der erneut das Einsetzen eines unabhängigen Ethikgremiums im Parlament fordert. Das soll nach seinen Vorstellungen EU-Beamte und Politiker auf Interessenkonflikte, Nebeneinkünfte und schnelle Berufswechsel in die Lobby prüfen und auch Sanktionen aussprechen können. Das würde auch das Ende der im Parlament regierenden „Kultur der Straflosigkeit“ bedeuten. Der deutsche Abgeordnete sieht im Moment allerdings keine Chance für ein solches Gremium.

Auch die EU-Kommission im Fokus von Lobbyisten

Neben dem Parlament steht allerdings auch die EU-Kommission im Fokus von Lobbyisten. Vor einigen Monaten ermittelte Emily O’Reilly wegen vom Golfemirat Katar spendierter Flüge und Hotelübernachtungen. Die Brüsseler Behörde verhandelte damals zeitgleich ein für Katar wichtiges Flugabkommen. Dies werfe „die berechtigte Frage nach einer möglichen unzulässigen Einflussnahme auf die Entscheidungsfindung der EU in diesem Bereich auf“, betonte O’Reilly.

Konkret ging es um den EU-Spitzenbeamten Henrik Hololei, der nach Bekanntwerden der Vorwürfe seinen Chefposten in der EU-Kommission räumen musste. Der Este fiel allerdings weich und wechselte von der Spitze der Generaldirektion Verkehr als Berater zur Generaldirektion Internationale Partnerschaften. Im Zuge dieses Falles forderte O’Reilly die Kommission dazu auf, ihre Regeln zu ändern und von Dritten bezahlte Reisekosten offenzulegen.

Mahnung an die Europäische Zentralbank

Nicht nur der Einfluss von Lobbygruppen im direkten Politikumfeld von Parlament und Kommission wurde von Emily O’Reilly in Augenschein genommen. Ausdrücklich betont sie in ihrem Jahresbericht, dass es auch im Fall der Europäischen Zentralbank (EZB) strengere Regeln geben müsse, wenn Mitarbeiter von der Behörde in den oft sehr hoch bezahlten Privatsektor wechseln. Vor allem für hochrangige EZB-Mitarbeiter fordert die Ombudsfrau eine „Abkühlungsperiode“ von mindestens einem Jahr.