Ein historisches Ereignis in der 50-jährigen Stadtgeschichte Albstadts war das Konzert „Klassik meets Hollywood“ im Westtangententunnel. Foto: Karina Eyrich

Ein Jahrhundertereignis hat das Ebinger Kammerorchester mit Musik aus der Filmgeschichte gestaltet. Veredelt hat es das Team von „SLAM – Sound, Light and More“.

Eine Alternative zur von Abbruch bedrohten Festhalle soll der Westtangententunnel nicht werden – den nahe liegenden Scherz mochte sich Oberbürgermeister Roland Tralmer nur einfach nicht verkneifen, als er 500 Gäste begrüßte.

 

„Als Schirmherr habe ich es leicht, so lange der Tunnel dicht ist“, sagte Tralmer, und der Regen, der während des zweistündigen Konzerts „Klassik meets Hollywood“ einsetzte, juckte wirklich niemanden: Das Team von „Be Save“ hatte nach dem Tunnel-Dance am Freitag Decken auf den Stuhlreihen – links mit je vier, rechts mit je sechs Stühlen – verteilt, und die Zuhörer hatten sich warm angezogen – nicht nur sprichwörtlich.

Oberbürgermeister Roland Tralmer hatte Anlass zur Freude – und scherzte, wie so oft. Foto: Karina Eyrich

So lauschten sie entspannt der Moderatorin Julia Berghoff – und der wahrlich fantastischen Musik. Dirigent Martin Künstner hatte für sein Ebinger Kammerorchester, unterstützt von Bläsern der württembergischen Philharmonie Reutlingen, ein Programm zusammengestellt, das die grandiose Akustik voll ausnutzte, und schon beim „Walzer Nr. 2“ von Dimitri Schostakowitsch war das Publikum aus dem Häuschen.

Lichttechniker Alex Weidle spielt nicht die zweite Geige

Konzertmeisterin Sibylle Kistermann hatte sich für ihr Violin-Solo bei Ennio Morricones „Cinema Paradiso“ in glitzerndes Blau gekleidet, passend zum Licht von den Licht-Bäumen auf der Bühne. Wie das Licht überhaupt eine Hauptrolle spielte: Lichttechniker Alex Weidle zauberte unglaublich eindrucksvolle Effekte auf die graue Beton-Röhre, ließ die Farben in Wellen durch den Tunnel rollen und verschaffte den Zuhörern in den hintersten Reihen somit etwas, was sie sonst nirgends haben: die besten Plätze.

Hatte maßgeblichen Anteil am Erfolg des bisher einzigartigen Konzerts: Lichttechniker Alex Weidle. Foto: Karina Eyrich

Dass sie dort auch gut hörten, war das Verdienst der Tontechniker, ebenfalls von „SLAM – Sound, Light and More“: Konstantin Greger war mit dem Tablet unterwegs, um sicherzustellen, dass das Musikerlebnis jede Stelle optimal erreichte; Uwe Sessler regelte hinten.

Ein Kontrast zur den feinen Klängen war der Applaus, der schon nach dem Indiana-Jones-Medley lauter war als ein 40-Tonner-Diesel-Truck. Mit dem zweiten Satz aus Mozarts Klarinettenkonzert schufen Solist Adam Abarzumjan und das Orchester die „zeitlose Ruhe und stille Schönheit“ der Flugszene in „Jenseits von Afrika“, die das Werk untermalt.

Episch und monumental: ein epochales Ereignis

Überhaupt sei die Musik aktive Erzählerin in Filmen, so Berghoff, und was wäre das „Duel of the Fates“ in „Star Wars“ ohne die monumentale Musik von John Williams, bei der Cellisten und tiefe Blechbläser ganz groß rauskamen.

Als perfektes episches Werk für das epochale Ereignis in 50 Jahren Albstadt erwies sich aber Hans Zimmers „Fluch der Karibik“, dem das von Streichern dominierte Orchester einen melodischeren Charakter verlieh als die Blasorchester der Region, die es – gefühlte zehn Jahre lang – in ihre Jahreskonzerte einbauten.

Viele andere Städte haben so etwas nie erlebt

Den zweiten Satz aus Ludwig van Beethovens siebter Sinfonie kannte das Publikum aus „The Kings Speech“ – er kündigte nach der Pause noch mehr großes Kino an: Die Paukenschläge in Hans Zimmers „Wonderwoman“ donnerten in der Röhre wie ein Vulkanausbruch. Das Harry Potter-Medley und „Anakin’s Theme“ waren weitere Klassiker von John Williams, doch die Höhepunkte waren „Gabriel’s Oboe“ aus Ennio Morricones „Mission“-Filmmusik mit Dennis Jäckels glänzendem Solo sowie das Hauptthema „Adventure of Jar Jar“ aus „Star Wars“ – Letzteres setzte mit seinen monumentalen Klängen ein fulminantes Ausrufezeichen hinter ein Ereignis, wie Albstadt es zuvor noch nie erlebt hat – und viele andere Städte niemals.

Wie das gesamte Publikum applaudierte Gabriele Blickle (vorne rechts), Vorsitzende des Ebinger Kammerorchesters, stehend. Foto: Karina Eyrich

So kamen Martin Künstner und seine Musiker erst nach drei Zugaben von der Bühne, und der Applaus, den das Publikum ebenso stehend wie euphorisch spendete, donnerte in der Röhre, die nicht die neue Festhalle wird. Aber vielleicht doch irgendwann mal wieder Schauplatz eines solch historischen Ereignisses.