Vision String Quartet Foto: Warner/Tim Klöcker

Das Vision String Quartet eröffnet im Stuttgarter Mozartsaal dieKammermusikreihe der SKS Russ.

Da sind sie endlich wieder – und doch nicht ganz. Noch bevor am Sonntagabend im Stuttgarter Mozartsaal der erste Ton der Kammermusikreihe der SKS Russ erklingt, tritt Daniel Stoll, zweiter Geiger des Vision String Quartets, vor das Publikum: Die sichtliche Verjüngung des Primarius Florian Willeitner geschuldet, den nun Adam Koch ersetzt. Diesem 25 Jahre jungen Dänen eilt ein glänzender Ruf voraus, und man hört, warum: Sein Ton ist rund, beweglich, die Phrasierung fein, sein Ohr weit geöffnet für die kammermusikalische Kommunikation. So wirft sich das Quartett hinein in die satten Farben, mit denen die elegische Klangwelt von Ernest Blochs Prélude für Streichquartett ausgekleidet ist, und es spielt keine Rolle, dass die einen dem Markenzeichen des Quartetts entsprechend auswendig spielen und der andere, kurzfristig Eingesprungene, nicht.

 

Dann aber folgt der Stolperstein. Brahms’ erster erhaltener Beitrag zur Gattung bleibt flach. Die emotionale Wucht des Eingangs-Allegros, die erschütternden Kontraste zwischen freudigem Voranstürmen und tiefer Melancholie, die wirken können wie eine auskomponierte bipolare Störung, die Energie zwischen den kleinzellig gereihten Intervallsprüngen: All dies gewinnt keine Kontur. Die Spannung fehlt, auch in der Tempo-Relation der Sätze (die Romanze ist viel zu langsam). Im Scherzo-Satz (Allegro molto moderato) ist der Trio-Zwischenteil so gut integriert, dass man, abgesehen von kurzzeitigen Stehgeiger-Momenten der Interpreten, seine Andersartigkeit kaum wahrnimmt. Die Koordination der Bögen hat Luft nach oben. Und das Ensemble wirkt hier wie ein Patchwork, die Stammbesetzung und der Primarius finden nicht zu einer überzeugenden gemeinsamen Haltung.

Aber dann! Bei Edvard Grieg wird alles nicht nur gut, sondern so aufregend, dass man sich glatt zu der These einer geistigen Verwandtschaft zwischen dem dänischen Primarius und dem norwegischen Komponisten versteigen möchte. Kaum steht das erste Mottothema im Saal, hört und spürt man das Drama. Hier haben die Kontraste Kanten, nach einigen Wacklern im Eingangssatz gewinnt das Miteinander deutlich an Präzision. Und das energetische Niveau erreicht vollkommen andere Dimensionen. Man artikuliert und gestaltet gemeinsam. Und man riskiert Extreme des Ausdrucks – etwa zwischen den perkussiven Passagen im Allegro-molto-Teil des Eingangssatzes und dem danach fast impressionistisch fließenden Seitenthema oder auch in den wilden Moll-Einbrüchen der Romanze.

Dass als Zugabe Eigenkomponiertes mit Zutaten aus Jazz, Folk, Pop und Minimal Music folgt, gehört beim Vision String Quartet zum Konzept. Hier wirkt der gemeinsame Groove bei „Copenhagen“, einem Stück aus dem jüngsten Album des Ensembles, wie ein befreites Aufatmen. Ende gut, alles gut. Die Musiker haben es und sind geschafft, das Publikum jubelt.