Jan Böhmermann und das Rundfunk-Tanzorchester Ehrenfeld sind am Donnerstag in Stuttgart aufgetreten. Kritik, Bilder und Setlist vom politischen Liederabend in der Schleyerhalle.
Hip-Hop, Funk, Samba – es ist selten, dass das Publikum bei einem einzigen Konzert derart viele Genres zu hören bekommt. Doch das ist kein gewöhnliches Konzert, sondern ein politischer Liederabend von Jan Böhmermann und dem Rundfunk-Tanzorchester Ehrenfeld in der Schleyerhalle. Jeden Freitagabend verbindet der Moderator in seiner Sendung „ZDF Magazin Royale“ Satire mit investigativem Journalismus – Musik und thematisch passende Songs spielen dabei eine große Rolle. „Eisern Ehrenfeld“ ist schon die vierte gemeinsame Tour Böhmermanns und des Orchesters unter der Leitung Lorenz Rhodes.
„Böhmermann ist Schuld“ steht in großen Buchstaben auf dem Vorhang, der die Bühne noch verdeckt. Die KI-generierte Stimme des 2022 verstorbenen William Cohn erklingt, außerdem Wortfetzen unter anderem von Trump.
Das Grundgesetz tanzt über die Bühne
Um kurz nach 20 Uhr fällt der Vorhang und gibt den Blick auf das 17-köpfige Rundfunk-Tanzorchester Ehrenfeld frei. Die Musikerinnen und Musiker geben von Anfang an alles. Dann steht Böhmermann auf der Bühne und setzt mit dem Song „Faschismus Is Back“ das Motto des Abends: „Wir haben von nichts gewusst.“ Begleitet wird sein Text vom offensiv-unpassenden funky Sound des Orchesters. „Der Faschismus ist zurück. Wie konnte das nur passieren?“, so Böhmermann. „Das fragen wir uns in einer Halle, die nach einem ehemaligen SS-Mitglied benannt ist.“
Weiter geht es mit einem Lied über den Investor und Trump-Unterstützer Peter Thiel („Right Time to Thiel“) im Stile eines epischen James-Bond-Titelsongs. Mit Kapuze über dem Kopf wird er zu seinem Alter Ego Polizistensohn („Herz und Faust und Zwinker Zwinker“), die Stimme verfeinert mit Autotune. Nur begleitet von einer Gitarre singt er die Akustikballade über Feste mit Faschisten („Licht an! Licht an!“). Bei „Eierwurf von Halle“ tanzt das Grundgesetz höchstpersönlich, eine Ganzkörperfigur, neben Böhmermann und Orchester.
Häme über Cannstatt und den Stuttgarter Bahnhof
Der Abend ist bunt und wild. Böhmermann hat schon unzählige Outfitwechsel hinter sich, als die aus seiner TV-Sendung bekannten Jadebuben ein Lied anstimmen. Ganz in Weiß und mit schwarzem Tüllrock bekleidet, wird er jetzt die Hallendecke hinauf gezogen – um kurz darauf auf den Boden zu knallen. Einige im Publikum sind sichtlich erschrocken, doch ziemlich schnell wird klar, dass es sich nur um eine Puppe handelt. Der echte Böhmermann lässt sich engelsgleich wieder hinabgleiten. Sterben wolle er hier nicht, sagt er: „Was ist denn ein Tod in Cannstatt! Peinlich!“
Überhaupt Stuttgart. Zum vierten Mal sei er mit der Bahn in die Stadt gereist. Jedes Mal in der Hoffnung, es habe sich etwas getan am Bahnhof. „Aber nicht nur euer Bahnhof ist am Arsch, ihr habt ja auch ein schlimmes Bahnhofsviertel.“ Das Publikum klatscht und lacht, die nicht ganz unberechtigte Bahnhofshäme ist man hier gewohnt.
Das Orchester zeigt sein Können
Böhmermanns Stimme ist etwas angekratzt. Das zeigt sich vor allem zwischen den Liedern, wenn er mit dem Publikum spricht. Das könnte an der Erkältung liegen, mit der er in die Tour gestartet ist oder auch daran, dass so ein knapp zweistündiger Liederabend ganz schön etwas abverlangt.
In anderen Städten gab es Stargäste wie Wolfgang Niedecken, mit dem er in Köln „Verdamp lang her“ gesungen oder den ehemaligen Bundesvorsitzenden der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer, der in Frankfurt das Orchester dirigiert hat. Letzterer ist in Stuttgart nur im Geiste dabei, als Böhmermann seine „Ode an Claus Weselsky“ anstimmt.
Doch auch so steht nicht nur Böhmermann im Fokus. Das Rundfunk-Tanzorchester Ehrenfeld spielt immer wieder Parts ohne den Entertainer und zeigt welch großartige Musikerinnen und Musiker auf der Bühne sind.
Böhmermann ist schuld
Am Ende wird noch aufgeklärt, woran Böhmermann schuld sein soll. „Wenn euch etwas stört, dann schiebt die Schuld nicht auf Menschen anderer Hautfarbe oder anderer Geschlechtsidentität“, sagt er. „Schiebt die Schuld auf mich.“
Mit „Vegesack“, einer Hymne auf seinen Heimat-Stadtbezirk in Bremen geht der sehr gelungene politische Liederabend zu Ende.
Jan Böhmermann: Setlist in Stuttgart
- Faschismus Is Back
- Right Time to Thiel
- Herz und Faust und Zwinkerzwinker
- Warum hört der Fahrradweg einfach hier auf
- Ode an Claus Weselsky
- Ich hab Polizei
- Recht kommt/Ich hab Polizei
- Bürgermeister
- Licht an! Licht an!
- Eierwurf von Halle
- Allemagne Zero Points
- Böhmermann ist Schuld
- Vegesack