Die „Sehnsucht der Romantik“ gab es im Salon von Gut Berneck zu hören. Heiner Costabél und Zorana Memedovic begeisterten mit ihrem gut 90-minütigen Programm.
Costabél führte als bestens informatierter Conférencier durch das Programm und ordnete dabei Musik und Komponisten in ihren historischen und gesellschaftlichen Kontext ein.
So sei Antonio Vivaldi mit seinem „Waisenhaus-Mädchen-Orchester“, für das er in Venedig zahlreiche Stücke komponiert hatte, seiner Zeit weit voraus gewesen, weil er in diesen Kompositionen Frauen in der Kammermusik eine Stimme gab.
Memedovic emanzipiert sich vom Meister
Im „Concerto VI L’Estro Armonico“ zeichnete Vivaldi die Beziehung zwischen Meister (am Klavier) und Schülerin (an der Violine) beispielhaft nach, im ersten Satz gibt Costabél am Klavier die Melodien noch vor und Memedovic beschränkt sich auf Wiederholungen, mit jedem weiteren Takt gewinnt das Geigenspiel der „Schülerin“ an Virtuosität und zum furiosen Finale emanzipiert sich Memedovic vollständig von ihrem Meister.
In der Anmoderation zum zweiten Stück nimmt Costabél sein Publikum mit auf eine Reise in die bessere musikalische Gesellschaft Wiens und den Herren Mozart, Haydn, Salieri und Beethoven und den Problemen, die der schüchterne Franz Schubert mit diesem illustren Personenkreis hatte.
Im ersten Satz lässt Schubert klar das Klavierspiel dominieren und es dauert einige Takte, ehe Memedovic mit der Violine ebenbürtig erscheint und die beiden Musiker „miteinander“ konzertieren. Im zweiten, langsamen Satz findet Schubert zu seinem bekannten musikalischen Erzählstil, mit dem er sich – für Stücke mit Gesang – im Kanon der deutschen Romantik seinen Platz sicherte.
Memedovics Geigenspiel schwingt sich hier zu dramatischen Höhen auf, die Costabél am Klavier gleichsam als Epilog nachzeichnet.
Wuchtige Klavier-Akkorde, dominante Bogenstriche
Im dritten Satz schenken sich beide Kombattanten nichts, die Melodieführung wechselt munter zwischen Klavier und Violine, wuchtige Klavier-Akkorde wechseln mit dominanten Bogenstrichen, die Frage, wem Schubert wohl das musikalisch letzte Wort zugestehen würde, beantwortet sich mit einem tollen, auf den Punkt gesetzten gemeinsamen Schlussakkord.
Beethovens „Frühlingssonate“ beschließt das Programm zur Pause. Mit einem sehr feurig gespielten „Czardas“ samt paillettenbesetztem Hüftschwung holt Memedovic das Publikum aus der Pause ab, dem Klassiker folgt eine nicht minder lebhafte russische Fantasie von Leo Portnoff und einer der berühmten ungarischen Tänze, deren Feinheiten sich der junge Johannes Brahms in den Hamburger Hafenhallen von den Sinti und Roma abgeschaut hatte.
Begeistert geht das Publikum die von Brahms gesetzten „Rallentando“-Stellen mit, in denen Costabél und Memedovic das Tempo fast zum Stillstand bringen, um dann umso demonstrativer die „Zigeuner-Motive“ zum Klingen zu bringen.
Für eine Eigenkomposition aus ihrer Studienzeit verschmilzt Memedovic für einige Takte mit ihrem Instrument, Dramatik und ekstatische Wiederholungen schienen regelrecht Besitz von ihrem Körper zu nehmen.
Zwei ruhige Zugaben ertönen zum Abschluss
Diese gewagte Metamorphose wurde vom Publikum mit viel Applaus bedacht, zwei ruhige Zugaben, unter anderem ein Liebesgruß von Edward Elgar, kochten den Puls des Publikums wieder auf ein sonntagabendliches Maß herunter.
„Eigentlich spielt unser Steinway-Flügel nur mit Lochkarten, heute Abend hat uns einer von uns darauf mit einer tollen Begleiterin an der Geige verzaubert“, sparte Jochen Steim in seiner Abmoderation des Konzerts nicht am Lob für die musikalische Klasse der beiden Musiker.