Das kongeniale Duo Tanja Morozova (Flügel) und Jochen Brusch (Violine) musizierte in Rexingen. Foto: Morlok

Der Tübinger Konzertviolinist Jochen Brusch feiert in diesem Jahr zwei Jubiläen. Er wird 70 Jahre alt und darf sein 50-jähriges Bühnenjubiläum begehen. Fünf Konzerte gab er für den Synagogenverein – und setzte nun einen glanzvollen Schlusspunkt.

Der runde Geburtstag und das Jubiläum markieren zwei Wege im Leben eines Mannes, der es so meisterhaft versteht, vier Saiten so zum Klingen zu bringen, dass er die Herzen seiner Zuhörer gleich mit dem ersten Ton erreicht. Doch damit soll nun bald Schluss sein.

 

Der sympathische Künstler hat beschlossen, seine aktive Konzerttätigkeit mit seinem 50-jährigen Bühnenjubiläum zu beenden. Brusch gibt eine letzte Konzertsaison bis zu seinem 70. Geburtstag im Oktober dieses Jahres.

Glanzvoller Abschied

„Ich werde nicht jünger und ich möchte, dass mich meine Zuhörer in guter Erinnerung behalten und nicht irgendwann von der Bühne tragen“, sagte er im persönlichen Gespräch kurz vor seinem letzten Auftritt in der alten Synagoge in Rexingen, die an diesem Sonntagnachmittag mit weit über hundert Besuchern bis auf den letzten Platz gefüllt war.

Jochen Brusch spielte an diesem Nachmittag zusammen mit seiner kongenialen Partnerin, der Pianistin Tanja Morozova, sein letztes Konzert in dem geschichtsträchtigen Haus, und Heinz Högerle erinnerte in seiner Begrüßung, wie es zur Freundschaft mit dem Musiker gekommen war. „Wir haben ihn vor elf Jahren bei einer Kunstausstellung das erste Mal gehört, und uns wurde gesagt, das ist der Jochen Brusch, der ist ganz unkompliziert, den könnt ihr ganz locker ansprechen.“ Gesagt getan, und das Ergebnis waren insgesamt fünf wunderbare Konzerte in Rexingen.

Heiterkeit und Ironie

Um den Abschiedsschmerz bei dem letzten Konzert nicht allzu groß werden zu lassen, bediente sich Brusch an den heiter ironischen Kommentaren von Heinrich Heine, der sehr feinsinnig, aber auch mit den grimmigen Tugenden eines Satirikers über die musikalische Welt im Paris des 18. Jahrhunderts berichtete.

Voll besetzt war die Ehemalige Synagoge in Rexingen beim Konzert des Duos Jochen Brusch/Tanja Morozova. Foto: Morlok

„Die Musik, die man heute als Klassik bezeichnet, war zu jener Zeit die Populärmusik, und Ohrwürmer gab es schon damals“, wusste Brusch, der auch als Moderator durch das Konzert begleitete. Einer dieser Ohrwürmer, die Heine so quälten, war der „Jungfernkranz“ aus der Oper „Freischütz“ von Carl Maria von Weber. Der Tübinger Meistergeiger spielte ein zum Träumen schönes Larghetto in B-Dur, in einer Bearbeitung von Fritz Kreisler, aus dieser Oper als Ouvertüre dieses besonderen Konzerts.

Dynamik und Schwung

Dynamisch und schwungvoll ging es dann mit dem „Kriegslied der Ungarn“ aus „Fausts Verdammnis“ weiter. Geschrieben wurde das Werk von Hector Berlioz und damals interpretiert vom Klaviervirtuose Alexander Dreyschock, über den Heine schrieb, der solle besser Drei Schock genannt werden, so wie der auf sein Instrument einschlage. Tanja Morozova machte es besser. Sanfter, aber nicht weniger rhythmisch und gleichzeitig voller Energie.

Über Frédéric Chopin wusste Heine, dass Polen, Frankreich und Deutschland seinen Stil prägten, die Natur ihm aber sein Genie gab. Er nannte ihn einen Tondichter, der aus dem Traumreich der Poesie stamme. Allerspätestens ab der Interpretation Bruschs des Chopin-Klassikers „Nocturne op. 27/2“ liebte man den Klang der Geige. Vorausgesetzt, sie wird wie in der dargebotenen Präzision gespielt.

Meisterhaftes von Rossini

Nach einem klangvollen Abstecher in die Welt des Franz Schuberts forderte sich Jochen Brusch mit seinen „Fantasien über Themen aus der Oper Otello von Gioachino Rossini op. 11“ selbst zu einer Höchstleistung heraus. Gespielt hat sie seinerzeit Heinrich Wilhelm Ernst, über den Heinrich Heine schrieb, dass er ihn für den größte Geiger um 1850 hielt, der seine Stücke noch harmonischer als Paganini ausgelegte. „Ich kann nicht abtreten, ohne ein Othello-Variante von Ernst gespielt zu haben“, verriet Brusch und wagte sich zum ersten Mal öffentlich an diesen Achttausender der Geigenkunst heran, den er souverän und quasi ohne Sauerstoffmaske bezwang.

Begeistertes Publikum

Vielleicht mag der Meister selbst den einen oder anderen kleinen Fehler in seinem Spiel gehört haben, das Publikum auf jeden Fall nicht. Es bedankte sich für dieses klangliche Geschenk mit frenetischem Applaus und lauten Bravo-Rufen. Doch die Othello-Varianten waren nicht die einzige Premiere, mit der Brusch an diesem Nachmittag seine Zuhörer überraschte. Auch seine Aufführung von Vincenzo Bellinis „Casta Diva“ aus der Oper „Norma“ ließ der Meister zum ersten Mal öffentlich erklingen.

Egal, ob zum Abschluss das „Rondo galante“ von Niccolo Paganini oder zuvor der „Liebestraum“ von Franz Liszt erklangen, die Zuhörer hörten so ergriffen zu, als fürchteten sie, auch nur einen Ton zu verpassen. Töne, die vor dem Hintergrund, dass dies das letzte Konzert von Jochen Brusch in Rexingen war, fast so wertvoll wie ein kleiner Schatz wurden.

Die Konzertwelt hierzulande verliert einen ihrer ganz Großen auf ihren Live-Bühnen, doch die Musik und die Kunst von Brusch sind auf vielen Tonträgern erhalten.

Er und seine Begleiterin wurden mit stehenden Ovationen verabschiedet, und natürlich erklatschten sich die begeisterten Zuhörer, bevor in Rexingen zum letzten Mal der Vorhang fiel, auch noch eine Zugabe.