Violinistin Tamaki Kawakubo und Pianistin Yu Kosuge waren im Lautlinger Schloss eine Klasse für sich. Foto: Szymanski

Violinistin Tamaki Kawakubo und Pianistin Yu Kosuge haben im Stauffenbergschloss Maßstäbe gesetzt mit einem ebenso außergewöhnlichen wie inspirierendem Konzert.

Albstadt-Lautlingen - Wiener Schmäh und das Lied "Schön Rosmarin" rundete das fulminante Kammerkonzert so frühlingsleicht und leiwand ab, als wäre zuvor nichts geschehen. Als hätten die Violinistin Tamaki Kawakubo und die Pianistin Yu Kosuge im Stauffenbergschloss den modernistischen Fritz Kreisler, den quirligen Mozart, den impressionistischen Maurice Ravel, die blumige Clara Schumann und den brausenden Brahms nicht auf eine andere Stufe der Interpretationen gehoben.

Selten so grandioses gehört

Einen solch drängenden und pulsierenden Impetus hört mal selten mit so grandioser Technik, Präzision und Tempo. Innerlich gerieten die Gäste dieses Kammermusik-Festes fast außer Atem. Denn schon das Präludium des österreichischen Komponisten Fritz Kreisler (1875 – 1962) zum Einstand prasselte furios durch den Raum. Die Geigerin kostete jeden Ton aus, ohne dass die Klangfarben und das kompositorische Universum Kreisler’s verloren gingen.

Ein Genuss: das Flageolett, die eingestreuten Glissandi und die Tremoli, denen die Pianistin auf dem Steinway-Flügel nicht weniger minutiös und variantenreich als Dialog entgegnete. Denn die Pianistin übernahm dabei nicht die Rolle der Begleitung, sondern spielte als gleichberechtigte Partnerin energiegeladen, mit äußerst kräftigem Anschlag und dennoch federleicht den Klavierpart dieses Vorspiels.

Respekt vor der engelsgleichen Süße der Sonate in e-Moll, K 304 von Mozart? Dafür gab es keinen Grund für die beiden Musikerinnen. Auch dabei fegten weltläufige Dialoge, aber doch die ganze Unbekümmertheit mozartscher Tondichtungen mit unglaublicher Dynamik, doch mitunter auch aufgesetzter Bravour durch den Saal.

Kolossal und beherzt

Maurice Ravel’s Sonate für Violine und Klavier war wohl der Höhepunkt dieses Konzert-Ereignisses. Denn jetzt kam die kolossale Geigentechnik von Kawakubo und das virtuose, beherzte, fast ein wenig respektlose Klavierspiel von Kosuge vollends zur Geltung. Gefährlich schön und mit atemberaubender Technik wurden Klangfarben kreiiert, die es eigentlich gar nicht gibt. Da hämmerte der Bogen im harten Martelè, er wurde abgeprallt, verfiel ins Legato und dann wieder beim Satz Blues in beherzte Pizzicati oder Staccati, dass die Zuhörer die Luft anhielten.

Als Clara Schumann und ihre drei Romanzen nach der Pause zu Besuch im Schloss verweilten, konnten sich Ohr und Gemüt ein wenig beruhigen nach der Fulminanz und der elektrisierenden Energie der beiden Musikerinnen im ersten Teil. Bei diesem Stück dominierte allerdings der Flügel mit aller schumannschen Romantik, tiefen Gefühlen, reizvoller Harmonik und eleganter Virtuosität, aber auch mit ebenbürtiger Innigkeit der Geige.

Lieben Sie Brahms?

Bei der Sonate in d-Moll von Johannes Brahms erübrigte sich die Frage "Lieben Sie Brahms?" nach der gleichnamigen Filmgeschichte von Francoise Sagan. Die Zuhörer liebten es, wie die Instrumentalistinnen die Essenzen dieser Komposition herausfilterten und die ungeheure Spannung der Kompositionen von Brahms hielten und neu belebten.

Wie beim Jazz benutzten Violinistin und Pianistin oft die Technik des Break, und zwar perfekt und punktgenau. Wie beim dritten Satz der Sonate die Furiosität plötzlich abbrach und das Spiel innig, schwebend und so zum Dahinschmelzen geriet, dass das Publikum tief durchatmete. Auch bei der Zugabe, dem Kreisler-Walzer "Schön Rosmarin". Tanzend hätte man diesen Abend beschließen wollen. Als wäre noch viel mehr geschehen. Bravo!