Mit dem „Werk eines Titanen“ haben Violinist Simon Zhu und Pianist Tatsuya Ohira im Stauffenbergschloss ein Konzert eröffnet, bei dem sie bewiesen haben, dass sie selbst – trotz ihres jungen Alters – auf dem besten Weg dazu sind, selbst Riesen zu werden.
Groß sind die Erwartungen immer, wenn der Verein „Spitzenklänge – Begabten Musikförderung Zollernalb“ zu einem Konzert einlädt. Simon Zhu an der Violine und Tatsuya Ohira am Flügel haben sie am Samstag im Stauffenbergschloss dennoch übererfüllt.
Schon die Auswahl der Stücke zeugte von ihrem Mut: Das Violinkonzert D-Dur op. 77 sei das „Werk eines Titanen“, sagt Simon Zhu über Johannes Brahms. Die Sonate für Violine und Klavier, die der Tscheche Leos Janacek 1914 unter dem Eindruck des bevorstehenden Weltkrieges an der Schwelle der Romantik zur klassischen Moderne komponiert hatte, war mit ihren melancholischen Moll-Tönen ein schöner Kontrastpunkt, ehe sich Ohira und Zhu an das Violinkonzert D-Dur Nr. 1 op. 6 wagten: Sein Komponist Nicolo Paganini, bekannt als „der Teufelsgeiger“, habe scheinbar Spaß daran gehabt, „den Geiger zu foltern mit dem Schwersten, was man sich vorstellen kann“, sagt Zhu und ruft dem Publikum im voll besetzten Saal zu: „Ich hoffe, wenigstens Ihnen macht es Spaß!“
Das tut es – wie der gesamte Abend. Bemerkenswert freilich ist, dass Simon Zhus Gesicht nicht im Geringsten von Anstrengung zeugt. Im Gegenteil: Scheinbar mühelos und tiefenentspannt zündet er das Feuerwerk, das „Spitzenklänge“-Mitbegründerin Renate Musat, seine erste Geigenlehrerin, angekündigt hat. Er lässt den Bogen über die Saiten tanzen, fliegen, hüpfen, und all das nicht nur in berauschendem Tempo, sondern auch mit höchster Präzision. Da ist jeder Ton in seiner ganzen Fülle hörbar und satt im Klang – nicht nur die tiefen, warmen Töne, sondern auch die ganz hohen, die Zhu noch in großer Dichte aus seinem Instrument zaubert, während die Finger seiner linken Hand förmlich den Steg entlang rennen. Dabei ist sein Spiel so intensiv, dass stellenweise der Eindruck entsteht, dass zwei Violinen statt einer erklingen.
Ohne Notenblatt und mit unglaublicher Strahlkraft
Als wäre es nicht schon Leistung genug, das Brahms- und das Paganini-Werk ohne Notenblatt zu spielen, den komplexen Aufbau und die vielseitigen Melodien zu memorieren, spielt Zhu mit viel Temperament und unglaublicher Kraft. Was diesen Superstar auf dem Sprungbrett von so vielen anderen seiner Zunft unterscheidet, ist die Interpretationskunst, die Dynamik, die er – gleichwohl mit Leichtigkeit und Frische serviert – an den Tag legt. Bei flirrenden Tonfolgen kommt seine ganze Souveränität zum Tragen, und die hellen, melodischen Passagen schmecken süß und vollmundig. Seine Musik hat Kraft – Ausdrucks- und Strahlkraft. Da möchte man als Zuhörer ganz Ohr werden, um all diese Fülle aufnehmen zu können.
Der Mann am Klavier ersetzt ein ganzes Orchester
Mit ebenso viel Souveränität steht Tatsuya Ohira seinen Mann am Klavier – und ist fast ein bisschen zu bedauern, denn es ist klar, dass die meisten Zuhörer gekommen sind, um Zhu zu hören, der in Burladingen aufgewachsen ist. Ohira ersetzt nicht nur bei Brahms wie bei Paganini ein ganzes Orchester, scheinbar mühelos, sondern besticht durch fantastischen Fingersatz, viel Einfühlungsvermögen, Präzision und Gespür für die verschiedenen Tempi.
Wie beide überhaupt mit großem Körpereinsatz musizieren, während das Publikum den Atem anhält. Umso stürmischer klatschen die Zuhörer am Ende und springen – selbst die Betagtesten – förmlich auf, um stehend zu applaudieren. Welch ein Konzerterlebnis. Da strahlt nicht nur Renate Musat, der es zu verdanken ist, dass Simon Zhus Talent gefördert wurde. Die Spenden für den Verein „Spitzenklänge“ fließen im Anschluss reichlich – wer weiß schon, wie viele solcher Talente der Zollernalbkreis noch zu bieten hat?