Konstanz/Villingen-Schwenningen - Nach 99 Verhandlungstagen ist der sogenannte Mafia-Prozess vor dem Landgericht Konstanz Geschichte. Am Montag kam es zur Verurteilung der zwei verbliebenen Angeklagten.

Nicolo M. (51), ein Geschäftsmann aus Donaueschingen (Schwarzwald-Baar-Kreis), wurde dabei unter anderem wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, gefährlicher Körperverletzung und Verstoßes gegen das Waffengesetzt zu neun Jahren Haft verurteilt. Er galt als einer der führenden Köpfe der Drogenbande, die insbesondere im Großraum Villingen-Schwenningen aktiv war. Den Vorwurf des versuchten Mordes sah die Kammer nicht als erwiesen an.

Haftstrafe auch für Sohn

Der 51-Jährige hatte Schüsse auf eine Kneipe abgegeben, um Verleumdungen gegen seinen 27-jährigen Sohn im Zusammenhang mit den Drogengeschäften zu ahnden – einen Tötungsvorsatz sah man jedoch nicht als gegeben an. Auch der Sohn des verbliebenen Hauptangeklagten wurde am Montag aufgrund des Handels mit Rauschgift zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten verurteilt.

Das Gericht sieht bei einer Verurteilung wegen versuchten Mordes besonders hohe Anforderungen – die aus Sicht der Kammer hier nicht gegeben seien. So habe es keine Absicht gegeben, Menschen zu verletzen oder zu töten. Es sei lediglich darum gegangen, einem Kontrahenten der Bande, der im oberen Stockwerk des Hauses wohnte, "eine Lektion zu erteilen". Diese Bewertung wurde vom Vorsitzenden Richter Arno Hornstein insbesondere deshalb vorgenommen, weil der Angeklagte nicht zwingend habe sehen können, dass im Inneren der Gaststätte noch Licht brannte – denn die Jalousien waren an diesem frühen Morgen bereits heruntergelassen, die Eingangstüre abgeschlossen und die Außenbeleuchtung bereits abgeschaltet. "Ein Tötungsvorsatz wäre nur dann diskutabel, wenn man sieht, dass drinnen Licht brennt", so Hornstein. Angesichts der Dämmerung zum Tatzeitpunkt könne ebenfalls nicht davon ausgegangen werden, dass der Schütze die nur recht schwache Beleuchtung gesehen habe.

Die Bande hatte über Monate hinweg einen schwunghaften Handel mit Rauschgift betrieben – dabei sollen unter anderem über 400 Kilogramm Marihuana aber auch Kokain an Abnehmer im Schwarzwald-Baar-Kreis gegangen sein. Die Drogen wurden vor allem aus Italien nach Deutschland geschmuggelt. Dabei habe man nach Überzeugung von Staatsanwaltschaft und Ermittlern der Kriminalpolizei, Verbindungen zur italienischen Mafia genutzt. Die Mafia-Thematik wurde beim Prozess jedoch außen vor gelassen. So betonte der Vorsitzende Richter Anro Hornstein, dass es für die Kammer "nie interessant war, ob das Verfahren einen Mafia-Bezug hat".

Nicolo M.s Verteidigung legt Gericht teils lahm

In 99 Verhandlungstagen hatte das Gericht die schwere Aufgabe, die kriminellen Machenschaften der Bande aufzudecken. Es galt dabei unter anderem, fünf Monate lang Abhörprotokolle in das Verfahren einzuführen – und dabei auf Deutsch übersetzen zu lassen. Aber auch die annähernd 100 Anträge und Widersprüche hatten zur Folge, dass es zwischenzeitlich kaum Fortschritte beim Prozess gab. Insbesondere die Verteidigung von Nicolo M. legte das Gericht teils lahm.

Hornstein war es deshalb zum Abschluss des Prozesses ein Anliegen, auch mit der Verteidigungsstrategie mancher Anwälte abzuschließen. Dabei schoss er insbesondere gegen Verteidiger Bernd Behnke aus Löffingen (Kreis Breisgau-Hochschwarzwald). "In 25 Jahren Richtertätigkeit habe ich so etwas noch nicht erlebt", schimpfte der Vorsitzende Richter. Die Art und Weise der Verteidigung sei ihm "völlig fremd" und nur "schwer erträglich". Zahlreiche Provokationen habe es gegeben, die Kammer habe "nichts wie Prügel gekriegt", Zeugen seien an den Pranger gestellt und ohne erkennbaren Gründe für unglaubwürdig erklärt worden. Selbst andere Anwälte des Verfahrens sahen ein "feindseliges Agieren der Verteidigerkollegen".

Bis zuletzt pochte der 75-jährige Behnke auch auf die Unschuld seines Mandanten – trotz erdrückender Beweise. Die Mitfahrgelegenheit nach Hause, um die ihn Nicolo M. im Vorfeld der Urteilsverkündung gebeten hatte, kam allerdings nicht zustande. Denn der 51-Jährige kam wie erwartet zurück in die Justizvollzugangsanstalt – wo er bereits seit 34 Monaten in Untersuchungshaft sitzt. 

Gericht sieht keinen versuchten Mord

Schwarzwald-Baar-Kreis - Mit einer Überraschung endet der Mafia-Prozess vor dem Landgericht Konstanz. Ein 51-jähriger Angeklagter wurde unter anderem wegen bandenmäßigen Drogenhandels und gefährlicher Körperverletzung zu einer neunjährigen Haftstrafe verurteilt. Von dem Vorwurf des versuchten Mordes wurde er indes freigesprochen.

Rund ein Dutzend Polizeibeamte in Zivil, die in dem Mammutverfahren involviert waren, und weitere Beobachter hatten sich im Landgericht Konstanz in den Zuschauerreihen platziert, als das Urteil im sogenannten Mafia-Prozess gefällt wurde: Neun Jahre Haft für einen der Hauptangeklagten, zwei Jahre und fünf Monate für seinen Sohn. "Einfach keine Eier in der Hose", dringt es da von einem Zuschauer durch den vorgeschriebenen Mundschutz hervor. Denn: Das Urteil sorgte zum Abschluss des Prozesses für eine gewisse Überraschung. So war insbesondere für den Hauptangeklagten, den 51-jährigen Nicolo M., eine zweistellige Haftstrafe erwartet worden.

Denn dem Geschäftsmann aus Donaueschingen wurde nicht nur vorgeworfen, beim schwunghaften Handel der Drogenbande als Organisator im Hintergrund mit beteiligt gewesen zu sein, sondern die Staatsanwaltschaft warf ihm auch einen versuchten Mord vor. So verübte der Italiener im Mai 2017 einen Anschlag auf eine Kneipe in Hüfingen – er feuerte fünf Mal in die Scheiben des Hauses, um Verleumdungen gegen seinen 27-jährigen Sohn Giacomo zu ahnden. Im Innenraum saß der Wirt und ein Gast – beide kamen mit dem Schrecken davon.

Hohe Anforderungen für versuchten Mord

Das Gericht sieht bei einer Verurteilung wegen versuchten Mordes besonders hohe Anforderungen – die aus Sicht der Kammer hier nicht gegeben seien. So habe es keine Absicht gegeben, Menschen zu verletzen oder zu töten. Es sei lediglich darum gegangen, einem Kontrahenten der Bande, der im oberen Stockwerk des Hauses wohnte, "eine Lektion zu erteilen". Diese Bewertung wurde vom Vorsitzenden Richter Arno Hornstein insbesondere deshalb vorgenommen, weil der Angeklagte nicht zwingend habe sehen können, dass im Inneren der Gaststätte noch Licht brannte – denn die Jalousien waren an diesem frühen Morgen bereits heruntergelassen, die Eingangstüre abgeschlossen und die Außenbeleuchtung bereits abgeschaltet. "Ein Tötungsvorsatz wäre nur dann diskutabel, wenn man sieht, dass drinnen Licht brennt", so Hornstein. Angesichts der Dämmerung zum Tatzeitpunkt könne ebenfalls nicht davon ausgegangen werden, dass der Schütze die nur recht schwache Beleuchtung gesehen habe.

Und auch bei den Tatvorwürfen hinsichtlich des Handels mit Betäubungsmitteln habe sich das Gericht teilweise sehr schwer getan – und zwar aufgrund des Zweifelsgrundsatzes, wie Hornstein betonte. Denn es sei schwierig gewesen, konkrete Tatnachweise zu führen – obwohl die Kammer davon überzeugt war, dass Nicolo M. an Drogengeschäften beteiligt war. "Er hat das clever gemacht", erklärt Hornstein bei der Urteilsbegründung.

Die Kammer sei bei der Verurteilung den "sicheren Weg gegangen", um keine große Angriffsfläche für mögliche Berufungsverfahren zu bieten. In zwei Fällen habe man den Angeklagten deshalb nicht wegen des Handels mit Rauschgift, sondern lediglich der Beihilfe hierzu verurteilt. Auch deshalb sei es zu einer insgesamt recht milden Gesamtfreiheitsstrafe gekommen – von denen der Angeklagte bereits 34 Monate Untersuchungshaft abgesessen hat.

Staatsanwaltschaft forderte 13 Jahre

Während Oberstaatsanwalt Joachim Speiermann in seinem Plädoyer 13 Jahre Haft gefordert hatte, plädierte die Verteidigung des Hauptangeklagten auf Freispruch. Der 51-Jährige hatte während des gesamten Prozesses zwar jede Kooperation vermissen lassen (Hornstein nannte ihn gar "Problemkind des Verfahrens"), in seinem letzten Wort gab er jedoch Fehler zu und zeigte zudem Ansätze von Reue.

Der 27-jährige Sohn Giacomo M. hatte hingegen ein Geständnis abgelegt – und nach Freilassung aus der Untersuchungshaft "tadelloses Verhalten" während des weiteren Prozessverlaufes an den Tag gelegt, wie der Vorsitzende Richter lobt. Er wurde wegen des Handels mit Betäubungsmitteln und den Besitzes einer Schusswaffe zu einer Strafe von zwei Jahren und fünf Monaten verurteilt.

Oberstaatsanwalt Joachim Speiermann wollte sich nach der Urteilsverkündung noch nicht dazu äußern, ob von seiner Seite aus Berufung eingelegt wird. Er sprach dabei insbesondere hinsichtlich des Freispruchs was den versuchten Mord betrifft von einer "überraschenden Kehrtwende der Kammer", die Haftstrafe von neun Jahren sei aus seiner Sicht "sehr moderat". Speiermann: Für die Gerichte ist es aber auch einfacher, Geständige zu verurteilen".

Der frühere Leiter der Kriminalpolizeidirektion Rottweil Thomas Hechinger, der die Ermittlungen gegen die Drogenbande geleitet hatte und bei der Urteilsverkündung ebenfalls mit vor Ort war, sprach davon, dass man "nicht unzufrieden" über das Urteil sei, "vor allem wenn man es im Gesamten betrachtet". Denn auch die weiteren Angeklagten wurden bereits zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt – so unter anderem der Gastronom Placido A., der eine Haftstrafe von acht Jahren und zehn Monaten aufgebrummt bekommen hatte. Er galt als einer der Köpfe der Bande, der Verbindungen zur italienischen Mafia nachgesagt wurden.