Konstantin Wecker (rechts) und Jo Barnikel auf der Bühne Foto: Szymanski

Drei Stunden lang bringt Konstantin Wecker seine Botschaften von Frieden und Menschenliebe musikalisch ans Balinger Publikum. Diesem kommt er besonders nah.

Der Poet, Liedermacher, Klavierspieler, Buchautor und Blogger Konstantin Wecker aus München will aufwecken – seit nunmehr 50 Jahren. In der fast ausverkauften Balinger Stadthalle begegnet der zerbrechlich, fast schutzbedürftig Wirkende einem Publikum, das ihm nicht nur außerordentlich gewogen scheint, sondern wahrhaft aufgeweckt, erweckt.

 

Manche haben weite Wege auf sich genommen: aus Stuttgart, Konstanz, Villingen und dem gesamten Zollernalbkreis sind sie angereist, um ihn zu feiern, ihm zu huldigen. Viele können den wunderschönen Abschluss der Songs oder der gesprochenen Texte gar nicht abwarten.

Konstantin Wecker will nicht ins dunkle Nichts schauen

Sie müssen klatschen, Jauchzer ausstoßen. Das scheint ihn nicht zu stören, sondern eher zu beflügeln. Weiß er doch, dass seine Zuhörer – oder soll man besser Verbündete sagen – auch seine etwas sentimentalen Erinnerungen wie die an seinen Vater nicht nur hinnehmen, sondern genauso aufsaugen wie seine kraftvollen Lieder gegen Faschismus, Krieg und überhaupt alles Unrecht auf diesem Planeten. Er möchte „die Welt poetisieren“ oder wie Novalis „Ferse zum Leuchten bringen“.

Vielleicht bleibt deshalb das Saallicht an. Konstantin Wecker will nicht, von Scheinwerfern geblendet, ins dunkle Nichts schauen. Er will sie sehen – am besten alle. Er beugt sich oft vor, läuft hin und her.

Die Stimme ist noch immer kräftig

Am Schluss wird sogar ein Zuhörer in den Arm genommen. Auch so fühlt man sich oft angefasst. Und das, obwohl er dafür kein Getöse braucht, den beliebten Klartext, Seitenhiebe oder Grobheiten und fast keine Namen aus Politik oder Wirtschaft. Dieser Magier überlässt die Kritik und Teilhabe der Kraft der Poesie.

Zum Thema Klartext: „Wo kann man Imperialisten am besten packen? Beim scheißen. Runterspülen, fertig.“ Das kommt genauso gut an wie die Tonband-Sequenz, in der er als Knabentenor im Duett mit seiner Mutter eine Arie aus La Traviata schmettert.

Schon damals hat er das bayerische Idiom durchscheinen lassen; das R kullert immer noch. Und noch immer ist seine – immerhin 76 Jahre alte – Stimme frisch, kräftig, variabel, tragfähig, jung irgendwie. Drei Stunden lang kein Wasser, kein Räuspern. Ihn tragen sein Publikum und seine Botschaften von Frieden und Menschenliebe.

Jo Barnikel begleitet am Flügel oder dem Keyboard

An seiner Seite – wie seit 30 Jahren – Jo Barnikel. Dieser modelliert Poesie mit den Fingern auf dem Flügel oder Keyboard: ein Genuss ihm zu lauschen und durchzuatmen, wenn er loslegt, wenn’s dramatisch wird. Dann kann er auch mal stampfen wie Konstantin Wecker in seinen jungen und fast noch himmelstümerischen Jahren.

Ist der Liederzauberer und Verseschmied weiser geworden, leiser? Das beantwortet er selber: „Am liebsten wäre ich pubertär geblieben.“ Ist er das? Ganz und gar nicht. Doch seine Texte haben noch mehr Tiefe, seine Stellungnahmen zu den unglückseligen Umtrieben rund um den Globus sind noch ausgefeilter, leiser ohne an Treffsicherheit zu verlieren.

Keine Hits von früher im Zugabenblock

Typisch für ihn nach wie vor: die Verehrung von Künstlerkollegen oder verdienstvollen Menschen wie den Physiker und Essayisten Hans-Peter Dürr. Dieser habe ihn gelehrt: „Materie ist nichts anderes als gefrorenes Licht.“ Klar, dass so ein Satz einen Poeten mitten ins Herz trifft.

Wiedererwarten fanden sich im langen Zugabenblock jedoch keine Hits von früher wie „Wenn der Sommer nicht mehr weit ist“ oder „Willi“. Vieles ist neu, fast noch utopischer als vor Jahrzehnten.