Der Seal – eines der schnittigeren Modelle des chinesischen Autoherstellers BYD Foto: AFP/Lillian Suwanrumpha

Noch finden chinesische Autohersteller in Deutschland nur wenige Käufer. Die Sorge vor einer großen Einfuhrwelle ist dennoch gut begründet. Was die Newcomer in ihrer Heimat so stark macht, deutet auf globale Konkurrenzfähigkeit hin.

Die nackten Zahlen sehen wenig furchteinflößend aus. Ganze 1202 Elektroautos hat der chinesische Hersteller BYD in Deutschland im ersten Halbjahr 2024 verkauft. Das entspricht einem Anteil von 0,1 Prozent am Gesamt-Automarkt und zeigt, dass mittlerweile vielleicht der Bekanntheitsgrad des Fußball-EM-Hauptsponsors gestiegen sein mag – der Absatz aber dümpelt hierzulande noch vor sich hin.

Auch Nio liegt mit 234 verkauften Autos in den ersten sechs Monaten nur knapp oberhalb der Wahrnehmungsgrenze, Xpeng (31) und Aiways (23) erst recht. Wie die Zahlen des Kraftfahrtbundesamtes zeigen, schlägt sich die einstmals britische Marke MG, hinter der mittlerweile der chinesische Staatskonzern und VW-Partner SAIC steckt, unter den Newcomern noch am besten.

BYD hat in Stuttgart in der Calwer-Passage einen Showroom eingerichtet. Foto: Klaus Köster

MG verkaufte in Deutschland 11 000 Elektroautos, während sich VW mit fast 30 000 Verkäufen als Platzhirsch erwies. Der Pionier Tesla, dies auch noch zum Vergleich, setzte von Januar bis Juni 21 200 Autos ab –und schrumpfte damit deutlich schneller als der Markt um fast 42 Prozent.

Wann kommt der Große Marsch in Europa an?

Insgesamt ist der chinesische Anteil am deutschen Elektroautomarkt zwar von acht auf zwölf Prozent gestiegen. Aber noch ist die von der EU-Kommission befürchtete Überflutung des hiesigen Markts durch chinesische Hersteller mehr Zukunftsprojektion als Realität. Die geplanten Schutzzölle könnten das chinesische Aufbauspiel zusätzlich bremsen.

Wenn die Zölle denn in Kraft gesetzt werden (es wird noch bis November verhandelt), würde beispielsweise ein MG mit 47,5 Prozent statt bisher zehn Prozent Einfuhrzoll belegt. Trotzdem ist die Sorge, dass der große Marsch der chinesischen Hersteller machtvoll in Europa ankommen wird, berechtigt – auch wenn bisher nur die ersten Trippelschritte zu sehen sind.

Es gibt eine Handvoll von Gründen, die dafür sprechen. Der wichtigste: die chinesische Autoindustrie ist dem Schüler-Lehrer-Verhältnis entwachsen, bei dem die deutschen Hersteller einst großzügig ihr Wissen teilten, um sich im Gegenzug einen riesigen Absatzmarkt zu erschließen. Aus den Nachahmern im Bereich der Verbrennungsmotortechnik werden in der Elektromobilität Vorreiter.

BYD will Fabriken in der Türkei und in Ungarn eröffnen

Großzügig subventioniert und per staatlicher Rohstoffstrategie gestützt, haben chinesische Firmen teilweise die Technologieführerschaft übernommen. Im jüngsten Innovationsreport des deutschen Center of Automotive Management (CAM) tauchen gleich fünf chinesische Firmen in den Top Ten auf. Das Entwicklungstempo („China Speed“) gilt mittlerweile auch deutschen Firmen als Vorbild.

BYD hat sich vom Batterie- zum größten Autohersteller Chinas gemausert und erreicht heute eine Wertschöpfungstiefe, von der Europäer trotz aller Investitionen nur träumen können. Ein kürzlich verkündeter Durchbruch bei der effizienteren Feststoff-Batterie soll den Vorsprung noch vergrößern. Dazu kommen die Pläne für BYD-Fabriken in der Türkei und Ungarn. Noch scheint es deutschen Kunden aber an Vertrauen in die Servicequalität der Newcomer zu mangeln. Können sie hier nachlegen, scheint die Welle unaufhaltsam. Zumal die Europäer nur langsam Einstiegsmodelle mit E-Motor auf den Markt bringen – und damit ein Einfallstor offen steht.