Der Wunsch nach einer rasanten konjunkturellen Erholung nach der Pandemie wurde bisher nicht erfüllt. Die heimische Wirtschaft verzeichnet zwar wieder bessere Geschäfte, eine starke Dynamik bleibt aber bisher aus, bilanziert die IHK Südlicher Oberrhein.
„Gute und schlechte Nachrichten wechseln sich tagtäglich ab. Es ist eine sehr volatile Landschaft. Die Situation für die Unternehmen bleibt kompliziert“, erklärte Eberhard Liebherr, Präsident der IHK Südlicher Oberrhein, bei der Pressekonferenz im Konferenzsaal des Hotels Stadt Freiburg. Das zeigt auch die aktuelle, vierteljährliche Konjunkturumfrage der IHK. Die Erwartungen an die kommenden zwölf Monate sind verhalten.
Nachdem der Index der Geschäftserwartungen im vergangenen Herbst auf minus 29 Punkte und damit auf seinen tiefsten Stand seit der Weltfinanzkrise des Jahres 2009 abgestürzt war, notiert er zum Frühsommer 2023 mit zwei Punkten erstmals wieder knapp über der Nulllinie, teilt die IHK mit. Unternehmen, die optimistisch und pessimistisch in die Zukunft blicken, halten sich mit einem Anteil von jeweils etwa 20 Prozent die Waage. Breite Zuversicht ist somit noch nicht an den Oberrhein zurückgekehrt. Noch immer hohe Energiepreise, ein sich zuspitzender Fachkräftemangel und hohe Lohnforderungen als Folge einer deutlich gestiegenen Inflationsrate werden die Unternehmen auch in naher Zukunft vor große Herausforderungen stellen, ist sich Liebherr sicher.
Auch beim IHK-Konjunkturklimaindex gibt es wenig Bewegung. Im Vergleich zum Jahresbeginn gibt es nur einen kleinen Sprung nach oben: Vier Punkte gewinnt der Index im Vergleich zum Jahresbeginn. „Was man unter dem Strich festhalten kann: Es gibt leichten Optimismus, aber es ist kein wirklicher Aufschwung“, bewertet IHK-Hauptgeschäftsführer Dieter Salomon.
Stimmungslage je nach Branche unterschiedlich
Kaum Bewegung gibt es bei den Inlandsinvestitionen. Der entsprechende Indexwert fällt um zwei Zähler auf nun acht Punkte ab. 27 Prozent der Unternehmen kalkulieren mit steigenden Investitionen in den kommenden zwölf Monaten, 19 Prozent gehen vom Gegenteil aus. Befragt nach den Motiven für die Investitionen zeigt sich, dass Kapazitätserweiterungen nur für 24 Prozent der Unternehmen im Vordergrund stehen. Ersatzbedarf wird von 74 Prozent der Unternehmen genannt.
Beim Blick auf die verschiedenen Branchen wird schnell klar, dass die Stimmungslage in den Betrieben große Unterschiede aufweist. „Den einen geht es zwar besser, den anderen aber nur weniger schlecht, und weiteren wiederum ganz schlecht“, fasste Salomon die große Spreizung zusammen. Beispiel Bauwirtschaft: Mit den konsequenten Leitzinserhöhungen der Europäischen Zentralbank hat eine längere Phase der konjunkturellen Abkühlung eingesetzt. Verzeichnete die Branche in den vergangenen zehn Jahren noch regelmäßig Höchstwerte von mehr als 80 Punkten bei der Geschäftslage, scheinen diese Zeiten nun vorläufig der Vergangenheit anzugehören. Nur 23 Prozent der Unternehmen bewerten die Lage als gut.
Noch düsterer gestaltet sich der Ausblick. Der Auftragseingang wird vor allem im privaten Wohnungsbau und dem öffentlichen Hochbau als rückläufig charakterisiert. Einen Wendepunkt dieser Entwicklung sehen die Unternehmen der Branche derzeit nicht. „Im Moment halten sich im privaten Wohnungsbau alle zurück, weil aufgrund der deutlich gestiegenen Baukosten nicht klar ist, ob Investoren Abnehmer für ihre Projekte finden. Und bei einigen Familien, die ihre Träume von den eigenen vier Wänden verwirklichen wollten, platzen die Finanzierungen“, so Salomon.
Im Hotel- und Gastgewerbe deutet sich hingegen an, dass nach den sehr volatilen vergangenen Jahren wieder ein Stück weit Stabilität einkehren könnte. Im Vergleich zum Jahresbeginn steigt der Index der Geschäftslage von 24 auf 35 Punkte. Nur noch zwölf Prozent bezeichnen sie als schlecht, während 47 Prozent eine gute Geschäftslage aufweisen. Viele Übernachtungsbetriebe verbuchten zuletzt wieder Gästezahlen wie vor den Corona-Einschränkungen. „Allerdings“, relativierte Kirsten Moser, Geschäftsführerin des Colombi-Hotels in Freiburg, „auch wenn wir wieder gute Umsatzzahlen vorweisen, die Ertragslage der Betriebe ist im Schnitt trotzdem schlecht.“
Hotelbranche leidet unter Arbeitskräftemangel
Die Branche leide unter einem hohen Arbeitskräftemangel gepaart mit deutlich gestiegenen Lohnkosten. Moser spricht von einer Steigerung von 20 bis 30 Prozent in den vergangenen drei Jahren. Das zeigt auch die Umfrage der IHK. 82 Prozent der Hotel- und Gaststättenbetriebe sehen den Fachkräftemangel als Risiko der eigenen wirtschaftlichen Entwicklung an, sogar 85 Prozent fürchten die gestiegenen Arbeitskosten. Dementsprechend sind auch die Geschäftserwartungen überwiegend negativ. 30 Prozent sorgen sich um die Geschäfte in den kommenden zwölf Monaten, nur 21 Prozent schauen optimistisch in die Zukunft. Moser selbst sei „vorsichtig optimistisch“ gestimmt. Allerdings sorgen sie die Belastungen durch die gestiegenen Nahrungsmittelpreise. „Die große Herausforderung ist, dass der Gast diese Kostensteigerungen akzeptiert und weiter zu uns kommt.“
Kurzfristige Buchungen
Eine weitere Herausforderung der Hotelbranche: Eine Kalkulation der künftigen Buchungen sei schwer aufzustellen. „Wir verzeichnen eine Zunahme der kurzfristigen Buchungen, wissen am Montag oft nicht, wie der Samstag wird“, beschreibt Hotel-Chefin Kirsten Moser. Das erschwere die Planbarkeit beim Personaleinsatz massiv. „Es sind Herausforderungen, die ich vor einigen Jahren noch nicht kannte.“