Bürokratie, Finanzdruck und politische Versprechen überfordern Verwaltungen. Für Thomas Geppert ist klar: Es braucht einen grundlegenden Neustart in der Kommunalpolitik.
„Die Lage ist ernst. Das spüren die Städte und Gemeinden. Das spüren Sie. Das spüren wir alle“, schreibt Steffen Jäger, Präsident des Gemeindetags Baden-Württemberg, zum Tag der Deutschen Einheit in einem Brief an alle Bürger. Mit drastischen Worten fordert er ein Umdenken, um Kommunen und Gesellschaft wieder handlungsfähig zu machen.
Auch im Kinzigtal und in der Ortenau seien die kommunalen Haushalte am Anschlag, die Verwaltungen von Bürokratie und der Umsetzung politischer Versprechen getrieben, sagt Wolfachs Bürgermeister Thomas Geppert, Kreisvorsitzender des Gemeindetags: „Der Zeitpunkt ist erreicht, das alles auf neue Füße zu stellen.“
„Ich will keine Politikschelte betreiben“, sagt Geppert. „Aber im kommunalen Alltag hat sich bisher nichts getan – das ist auch, warum jetzt die Kampagne kommt. Bis jetzt hat sich spürbar gar nichts verändert – im Gegenteil.“ Weiter kämen immer neue Aufgaben auf die Kommunen zu. Aktuelles Beispiel sei der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschüler.
„Wer muss es richten? – Die Kommunen“
Der sei über Jahre politisch angekündigt, die Verwaltungsvorschriften kämen aber erst kurzfristig, und weiter gebe es viele offene Fragen. „Und wer richtet’s dann vor Ort? Natürlich die Kommunen!“ 80 Prozent der Kommunen könnten ihre Haushalte nicht mehr ausgleichen. „Trotzdem soll eine große Welle an Pflichtaufgaben einfach laufen. Das wird, wenn sich nichts ändert, so nicht mehr gehen.“Es vergehe kaum eine Woche ohne neue „sonnige Aussichten“ aus der großen Politik.
Auf die Anfang September angekündigte „Sportmilliarde“, mit der in den nächsten vier Jahren die Sanierung kommunaler Sportstätten gefördert werden soll, habe er vier E-Mails von Bürgern erhalten, mit Vorschlägen für Projekte.
Fehlende Datensicherheit ist ein großes Problem
Nach den Kriterien des Königsteiner Schlüssels heruntergebrochen blieben von der Milliarde aber für Kommunen in der Größe Wolfachs im Schnitt gerade 40 000 bis 50 000 Euro, für kleinere Gemeinden noch weniger. „Besser als nichts. Rettet aber nicht die Welt.“ Parallel würden Bauprojekte immer wieder ausgebremst, etwa durch überbordenden Artenschutz.
Und die Digitalisierung hänge nicht allein am Geld: „Viel schlimmer ist die Datensicherheit.“ Angefangen von Schnittstellen zwischen kommunalen Rechenzentren und Service BW für die Einführung digitaler Behördengänge bis hin zur Nutzung Künstlicher Intelligenz. „Rechtskonforme KI-Infrastruktur für ein Rathaus, die gibt es derzeit nur schwerlich.“
Probleme gibt es viele. Doch wo zuerst anpacken? „Ich sehe zwei Punkte“, sagt Geppert: „Wir brauchen eine neue Kultur der Offenheit zum Benennen der Wahrheit: Wo stehen wir? Was kann geleistet werden, was kann nicht mehr geleistet werden und warum? Ohne Scheu.“
Der zweite Punkt sei „eine angemessene Finanzausstattung der Kommunen“. Selbst für kleine Anfragen aus dem Ehrenamt im Umfang von 3000 bis 6000 Euro, für die es früher immer irgendwo Luft gegeben habe im Haushalt, fehlten inzwischen die Mittel. „Das System ist dermaßen im Ungleichgewicht, dass die Kampagne mehr als notwendig ist. Aber sie ist politisch nur der Weckruf.“ Er hoffe, dass der neuerliche Brief einen Dialog in der Gesellschaft anstoße.