Netanjahu wieder vorn: Es ist ein Wahlsieg, der für den jüdischen Staat mit der Gefahr einer weiteren sozialen Spaltung verbunden ist. Diejenigen, die einen Ausgleich mit den Palästinensern herbeisehnen, lässt Netanjahu hoffnungslos zurück, meint unser Politikredakteur Winfried Weithofer.
Stuttgart - Jeder, der mit Wahlen die Hoffnung auf einen Neubeginn, ja auf bessere Zeiten verbindet, wird, wenn er nach Israel schaut, maßlos enttäuscht sein. Gewählt wurde nicht der Aufbruch, sondern der Stillstand – personifiziert durch Benjamin Netanjahu, einen Mann von gestern. Von ihm und seiner rechtsgerichteten Regierung ist in den letzten Jahren keinerlei Innovationskraft mehr ausgegangen, er hat das Land in eine Blockade geführt. Den Friedensprozess mit den Palästinensern hat der Hardliner entgleisen lassen und die Furcht vor dem Erzfeind Iran geschürt.
Mit ihm werde es keinen palästinensischen Staat, keine Einheitsregierung mit der Arbeitspartei geben, tönte Netanjahu und fügte hinzu: „Ich werde eine nationalistische Regierung bilden.“ Mit solchen kraftmeierischen Festlegungen zeigte er noch am Wahltag seine Unbeugsamkeit und seine dogmatische Einstellung. Es gehört zu den israelischen Merkwürdigkeiten, dass eine solche auf Konfrontation angelegte Denkweise zur Mehrheit verhelfen kann. Soziale Themen blieben zweitrangig.
Sicher: Netanjahu profitierte von der Tatsache, dass sein blasser Gegenspieler Izchak Herzog nur wenig Zugkraft bei den Wählern entwickelte – Netanjahu dagegen ist ein in vielen Schlachten gestählter Politiker, der weiß, wie die Massen zu gewinnen sind – notfalls auch mit Panikmache. Um Unentschlossene am rechten Rand zu mobilisieren, warnte Netanjahu vor Massen israelischer Araber, die die Wahlurnen stürmen würden. Eine hässliche Attacke. So spricht kein verantwortlicher Staatsmann über Mitbürger, die ein demokratisches Recht wahrnehmen.
Es ist ein Wahlsieg, der für den jüdischen Staat mit der Gefahr einer weiteren sozialen Spaltung verbunden ist. Diejenigen, die einen Ausgleich mit den Palästinensern herbeisehnen, lässt Netanjahu hoffnungslos zurück. Die Gazakriege 2008/09 und 2014 haben Tausende Palästinenser das Leben gekostet, aber eine Konfliktlösung ist in weiter Ferne. Aus all dem Blutvergießen in den letzten Jahrzehnten hat der rechtsorientierte Ministerpräsident nicht die zwingende Lehre gezogen, dass die nahöstliche Region nur durch Verhandlungen befriedet werden kann.
Stattdessen wurde der Siedlungsbau quasi zur Staatsdoktrin erhoben und damit schrittweise eine Zwei-Staaten-Lösung unterminiert. Mit der unrechtmäßigen Einverleibung palästinensischer Gebiete nahm Netanjahu zudem in Kauf, seine Partner in Washington und in den europäischen Hauptstädten zu verprellen. Das Verhältnis zu US-Präsident Barack Obama ist nach dem provozierenden Auftritt Netanjahus vor dem US-Kongress ohnehin schon auf Dauer vergiftet.
Es fällt schwer, dem Wahlausgang etwas Positives abzugewinnen. Allenfalls dies: Netanjahu hat im Wahlkampf scharf polarisiert, er könnte nun in seinem Triumph und aus einer Position der Stärke heraus Milde walten lassen – gegenüber seinen Gegnern im eigenen Land, deren Zorn er mit einer gemäßigten Regierung dämpft, und womöglich gegenüber den Palästinensern. Man erinnere sich: 1977, vor 38 Jahren, haben sich Menachem Begin, ein ausgewiesener israelischer Hardliner und Nationalist, und der charismatische ägyptische Präsident Anwar el-Sadat zu großen Taten aufgeschwungen. Land gegen Frieden – dies hat damals gefruchtet.
Dass Netanjahu dieses Prinzip wiederbelebt, ist aus heutiger Sicht illusionär. Doch genauso steht fest, dass es an ihm liegt, das verloren gegangene Vertrauen in der Welt wieder zu gewinnen.