Claudia Neumann wird während der EM 2021 mitunter wüst beschimpft. Foto: imago images/Sven Simon

Die TV-Sender haben ihre Social-Media-Teams für die EM 2021 aufgestockt. Ein Grund dafür sind Hass und Hetze im Internet. Eine Person trifft es besonders – doch sie wird von den Sendern mit lässigem Humor und smarten Antworten verteidigt.

Köln/Mainz - Dank der Fußball-Europameisterschaft steigen nicht nur die TV-Quoten, auch die Zahl der Social-Media-Posts schießt in die Höhe. Das meiste ist okay oder sogar amüsant, doch manches ist schlicht unflätig, sexistisch oder rassistisch. Um dem entgegenzuwirken, haben ARD und ZDF notgedrungen personell aufgestockt.

Lesen Sie aus unserem Angebot: „Sportschau“ mahnt zu mehr Respekt für ZDF-Reporterin

„Es gibt eine kleine Minderheit, die pöbelt und hetzt“, sagte ZDF-Sportchef Thomas Fuhrmann der Deutschen Presse-Agentur. „Dann zeigen wir klare Kante. In wenigen Fällen müssen wir User verwarnen oder gar sperren und Kommentare löschen, wenn rote Linien überschritten werden.“ Vor allem wenn Frauen am Mikrofon sind, wird Social Media manches Mal zum asozialen Medium. Kritisiert wird in erster Linie ZDF-Reporterin Claudia Neumann.

Der ZDF-Sport hat eine Online- und Social-Media-Redaktion, „die sich auch um das Community Management auf den verschiedenen Plattformen kümmert“, erklärte der Sportchef. „Normalerweise reichen dafür ein bis zwei Personen pro Tag, bei Großereignissen wie der EM verstärken wir das Team, da die Anzahl der Kommentare rasant steigt. Wenn Claudia Neumann am Mikrofon sitzt, sind bis zu sechs Personen mit dem Community Management beschäftigt.“ Als Devise twitterte das Team zu Beginn des Turniers: „Hetze und Bashing gegen unsere Moderator:innen dulden wir ganz sicher nicht.“

Intern spricht man vom „Herzchen-Team“

Beim Ersten ist das ähnlich. „Wir wollen Raum für Diskussionen zur Verfügung stellen, das muss aber moderiert werden“, sagte EM-Programmchef Christian Wagner von der ARD. „Uns war daher klar, dass wir unser Engagement-Team stärken müssen. Wir haben uns für die EM auch Spezialisten aus anderen Redaktionen ausgeliehen.“

Intern wird bei der ARD auch vom „Herzchen-Team“ gesprochen, wenn es um die Social-Media-Experten geht. Ihre Aufgabe ist laut Wagner: „Wir versuchen, aus einem Shitstorm einen Candystorm zu machen - und das gelingt uns auch häufig.“ Wenn es jedoch nicht anders geht, wird auch bei der ARD gelöscht und gesperrt. Zielscheibe von frauenfeindlichen Kommentaren ist bei der ARD besonders Almuth Schult, die als erste Frau über ein ganzes Turnier als Expertin engagiert ist.

Kurioserweise bekommt die „Sportschau“ auch sexistische Kommentare, wenn Claudia Neumann beim Nachbarsender Spiele kommentiert. „Manche Zuschauer verwechseln bei der Übertragung ARD und ZDF“, sagte EM-Programmchef Wagner. Sein Team hat auch darauf reagiert, nach unangemessenen Bemerkungen mehr Respekt für die Kollegin von der Konkurrenz eingefordert und lässig gekontert: „Unabhängig davon, dass Claudia Neumann und Ariane Hingst beim ZDF kommentieren, wäre ein netterer Umgang miteinander und ein etwas respektvollerer Ton doch ganz cool, oder?“

Social-Media-Teams üben sich in Lockerheit

Neumann selbst gibt sich gelassen. „Ich lese nach wie vor nichts, nur wenn mich jemand darauf anspricht, bekomme ich Kenntnis. Der Reflex, nach Spielen ins Netz zu schauen, ist mir wirklich fremd. War er immer schon, heute sogar in 100-prozentiger Konsequenz“, sagte sie während der EM der dpa.

Auch die Social-Media-Teams versuchen, locker zu reagieren. Es seien „schnell smarte und clevere Antworten gefragt“, sagte der ZDF-Sportchef. Beispiel: Ein noch harmloser Tweet lautete: „Warum kommentieren zwei Frauen? Warum?“ Woraufhin das ZDF mit der Gegenfrage konterte: „Warum denn nicht?“

Zu den smarten Antworten gehörte auch: „Statistisch gesehen machen Frauen etwa 50 Prozent der Weltbevölkerung aus. Dass zwei von ihnen zusammen ein Fußballspiel kommentieren, sollte Menschen mit mathematischen Grundkenntnissen nicht überraschen.“ Der „Stern“ lobte daraufhin die „perfekten Antworten“, und die „Frankfurter Rundschau“ attestierte eine „großartige Offensivleistung“.