Zu viele Ausnahmen bei der Rente mit 67 wären ungerecht, sagt Politikredakteur Markus Grabitz.
Zu viele Ausnahmen bei der Rente mit 67 wären ungerecht, sagt Politikredakteur Markus Grabitz.
Man kann den schwarz-roten Koalitionären nicht vorhalten, dass sie beim Thema Rente wortbrüchig geworden wären. Mitten im Sommer – der Wahlkampf war noch gar nicht auf Touren gekommen – hatte Unionsfraktionschef Volker Kauder angekündigt, die Renten der Mütter aufzuwerten. Er machte kein Hehl daraus, dass die Union dafür den Griff in die Rentenkasse plante. Das Vorhaben stand im Wahlprogramm der CDU, und es fand auf Seite 73 Eingang in den Koalitionsvertrag zwischen SPD und Union. Da ist es nur konsequent – und verdient nicht, skandalisiert zu werden –, dass die große Koalition dafür die Voraussetzungen schafft, indem sie die eigentlich fällige Beitragsentlastung zum 1. Januar 2014 abbläst.
So in sich schlüssig die Koalition handelt, so falsch handelt sie freilich auch: Es bleibt dabei, dass das Rentenmanöver fatal ist. Beitragszahler werden um Milliarden gebracht. Ihr Geld. Die ohnehin gebeutelten sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, deren Reallöhne seit langem kaum steigen, warten vergeblich auf die Entlastung bei den Rentenbeiträgen. Im Gegenteil. Die Rentenformel bringt es mit sich, dass die Steuerzahler noch mehr Milliarden in die Rentenkasse zuschießen müssen. Und auch die 20 Millionen Rentner fühlen sich geprellt. Ihre Beitragssteigerung wird im nächsten Juli niedriger ausfallen, als wenn die Beiträge jetzt regulär abgesenkt worden wären.
Aber diese Schlacht ist geschlagen und aus Sicht der jüngeren Generationen verloren. Der Blick richtet sich nach vorn. In dieser Wahlperiode wird es viel bei der Rentenversicherung zu gestalten geben. Zwei Punkte stechen heraus: Zum einen ist zu klären, ob die Mütter (mit Geburten vor 1992) rentenrechtlich komplett gleichgestellt werden mit Müttern, die heute erziehen. Und wie dies zu finanzieren ist. Die Kanzlerin hat zu erkennen gegeben, dass sie die Belastungsgrenze der Beitragszahler schon jetzt für erreicht hält. Angela Merkel hat wiederholt angedeutet, dass notfalls der Steuerzuschuss an die Rentenkasse steigen soll. Anders darf es nicht kommen: Die Anerkennung der Erziehungsleistung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Wenn es noch einmal einen Nachschlag für die älteren Mütter geben soll, dann muss peinlich genau darauf geachtet werden, dass er diesmal sauber finanziert wird.
Der zweite Punkt ist die Zukunft der Rente mit 67 und den Ausnahmen für besonders langjährig Versicherte, früher abschlagsfrei in Rente zu gehen. Und auch da gibt es noch interessante Details zu regeln. Eines von vielen: Schon heben Beamtenfunktionäre den Finger und wollen auch für ihre Mitglieder die vorzeitige Pension erkämpfen. Mit welcher Begründung will man den Beamten dies verwehren? Wenn schon die Rente mit 67 auf die Staatsträger übertragen wurde, mit welchen Argumenten will man dann die Übertragung der Ausnahmen verhindern?
Weiter geht es um die Frage, wie viele Jahre der Arbeitslosigkeit akzeptiert sind, damit das Recht auf abschlagsfreie Rente gewahrt bleibt. Fünf Jahre, acht Jahre? Wie auch immer die Fragen entschieden werden: Der Gesetzgeber ist gut beraten, sich die Folgen genau anzusehen. Grenzen sind willkürlich. Menschen, die nicht in den Genuss des Privilegs kommen, werden sich ungerecht behandelt fühlen. Vor allem aber: Je großzügiger die Politik ist, desto teurer wird es.
Ohne Frage: Jedem Einzelnen ist es gegönnt, früher den Ruhestand zu genießen. Nur darf es am Ende nicht so kommen, dass die Rente mit 67 völlig ausgehöhlt wird und nur noch als Torso dasteht. Dies wäre nicht nur volkswirtschaftlich schade, sondern auch höchst ungerecht gegenüber den wenigen, die dann noch bis 67 arbeiten müssen.