Ein Protestplakat gegen den Bau einer Stromtrasse steht in Hüttlingen auf einer Wiese. Foto: dpa

Es knirscht gewaltig zwischen Bund und Ländern bei der Energiewende, findet Politikredakteur Markus Grabitz.

Es knirscht gewaltig zwischen Bund und Ländern bei der Energiewende, findet Politikredakteur Markus Grabitz.

Stuttgart - Neulich war der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer wieder einmal als Irrlicht unterwegs. Schon wieder. Es passiert ihm auffällig häufig vor Wahlen. Und in Bayern stehen im März die Kommunalwahlen an. Regelmäßig will er dann ganz besonders nah beim Wähler sein, regelmäßig greift er dann in der Sache kräftig daneben.

So liegen die Dinge auch bei Seehofers Vorstoß, den Bau von Stromtrassen erst einmal auf Eis zu legen. Nanu. Dabei hatte Bayern dem Ausbauplan für die Stromautobahnen in der Länderkammer zugestimmt. Dabei hätte doch gerade die Industrie in Bayern ein Problem, wenn Ende 2015 das AKW Grafenrheinfeld vom Netz geht und keine Leitungen da wären, um den an der Küste produzierten Windstrom in den Süden zu transportieren. Und dabei würde den Bayern als Ersatz für Atomstrom nicht einmal ein lauthals von Seehofer eingefordertes neues Gaskraftwerk in Grafenrheinfeld helfen. In Grafenrheinfeld gibt es nämlich weit und breit gar keine Gasleitung, an die er sein Wunsch-Kraftwerk anschließen kann.

Aus Seehofers Blickwinkel auf die politische Landschaft mögen diese Argumente Spitzfindigkeiten sein. Vermutlich wird er ja auch zur Tagesordnung übergehen und sich dem unpopulären Leitungsbau fügen, wenn die Wahlen erst einmal vorbei sind.Problematisch ist sein Verhalten dennoch. Denn so geht wieder einmal viel Zeit verloren. Das schwierige Projekt Energiewende erfährt einmal mehr einen Dämpfer.

Gabriel ist nicht zu beneiden

Ohnehin ist Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel nicht zu beneiden, der die Energiewende stemmen muss und auch couragiert im neuen Amt losgelegt hat. Denn er kämpft beim Thema Energie auch in Brüssel. EU-Wettbewerbskommissar Joaquin Almunia stört fundamental, dass hierzulande so viele Unternehmen privilegiert sind und die Ökostromumlage nicht bezahlen müssen. Er mahnt dringend eine Reform an. Gabriel ist unter Zeitdruck. Wenn er nicht bald neue Regelungen findet, die in Brüssel auf Zustimmung stoßen, droht der GAU: Das bisherige System würde implodieren, stromintensive Firmen müssten auf ihre Privilegien verzichten. Viele Unternehmen wären wohl mit einem Schlag nicht mehr konkurrenzfähig, spektakuläre Pleiten von Aluminiumhütten und anderen Unternehmen würden nicht lange auf sich warten lassen.

Vizekanzler Gabriel weiß, dass er das Thema nicht auf die leichte Schulter nehmen darf. Die Beihilfen für die stromintensiven Industrien sind die weiche Flanke Deutschlands auf EU-Parkett. Die deutsche Regierung hat sich mit ihrem schulmeisterlichen Auftreten in der Euro-Krise bei etlichen EU-Ländern Feinde gemacht. In Berlin geht die Sorge um, dass sich beim Thema Beihilfen diejenigen in Brüssel durchsetzen, die schon länger mit Deutschland einmal eine alte Rechnung begleichen wollten.

Das Beihilfe-Thema ist sicher wichtig. Klar ist aber, dass es nicht über das Gelingen der Energiewende entscheidet. Dabei müssen vorrangig Fragen gelöst werden wie: Woher soll der Strom eigentlich kommen, wenn kein Wind weht? Und wer soll die Kraftwerke bezahlen, die dafür notwendig sind? Wie geht es mit dem Leitungsbau weiter? Und vor allem: Wie sorgt die Politik dafür, dass die Anbieter von erneuerbaren Energien den Ökostrom zu Marktpreisen produzieren? Der Wirtschaftsminister muss aufpassen, dass er sich da nicht verzettelt. Bei allen Gefahren für den Industriestandort durch ein Beihilfeverfahren aus Brüssel darf er nicht die eigentlichen Herausforderungen aus dem Auge verlieren.

m.grabitz@stn.zgs.de