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Der Fall des SPD-Politikers Edathy hat große Kreise gezogen. Nun kostet er Hans-Peter Friedrich das Amt. Der Innenminister tritt zurück – und der SPD-Chef geht in Deckung, analysiert unser Kommentator.

Stuttgart - Anständig. Hans-Peter Friedrich habe sich anständig verhalten, als er im Fall des SPD-Abgeordneten Sebastian Edathy aufs Dienstgeheimnis pfiff und Parteichef Sigmar Gabriel über mögliche international koordinierte Ermittlungen gegen den Vorsitzenden des NSU-Untersuchungsausschusses jovial ins Vertrauen zog, heißt es in der SPD. Ob das strafrechtlich relevant ist? Da zuckt man im Brandt-Haus mit den Schultern. Und nicht nur dort. Das müssten Juristen entscheiden, sagt man. Ratlos. Der schnelle Rücktritt des Innenministers sorgt da für Aufatmen. Doch in der SPD bleibt man nervös.

„Nach bestem Wissen und Gewissen“ habe er im Oktober 2013 gehandelt, hatte Friedrich kundgetan, als er nett gemeint die Information an Gabriel weitergegeben hatte – der sie dann unter Parteifreunde wie den heutigen, ins Zwielicht rutschenden Fraktionschef Thomas Oppermann und den jetzigen Außenminister Frank-Walter Steinmeier streute. Und an ein paar andere. Muss auch er Konsequenzen ziehen? Das stehe nicht zur Debatte, sagt Gabriel. Ansonsten: volle Deckung. War seine Indiskretion doch keineswegs uneigennützig. Schließlich liefen zu der Zeit bereits die schwarz-roten Koalitionsverhandlungen, bei denen die Friedrich-Infos angesichts der Kabinettsposten-Planung durchaus eine „gewisse Relevanz“ hatten, so ein Gabriel-Sprecher.

Wie auch immer: Die ermittelnde Staatsanwaltschaft Hannover gibt sich ob des ministeriellen Durchstechens „fassungslos“. Und wird erstmals deutlich. Steht Edathy im Verdacht, Kinderpornos besessen zu haben? Ja, sagen die Ermittler unmissverständlich. Neunmal habe Edathy, der am 6.  Februar nach 15 Jahren sein Mandat niedergelegt hatte, zwischen Oktober 2005 und Juni 2010 in einem kanadischen Online-Shop insgesamt 31 Filme und Fotosets von nackten Jungen im Alter von neun bis 14 Jahren per Kreditkarte bestellt und teilweise die Server des Bundestags benutzt. Eindeutig kinderpornografisches Material, teilt das Bundeskriminalamt mit. Auf jeden Fall an der Grenze zur Strafbarkeit.

Rückendeckung? Fehlanzeige

Was war unter diesen Umständen an Friedrichs Warnung „anständig“? Was von der Aussage zu halten, er habe vom Verdacht eines strafbaren Verhaltens nicht gewusst oder gesagt? Wie sind die spärlichen Hinweise – bis hin zu zerstörten Festplatten – zu werten, die eine „hoffnungslos in die Hinterhand geratene“ Staatsanwaltschaft bei der Durchsuchung von Edathys Privaträumen vorfand? Was bedeuten die Nachfragen eines Edathy-Anwalts bei der Staatsanwaltschaft zu möglichen Untersuchungen schon im November, wenn keiner der über Friedrichs Kenntnisse Eingeweihten ein Sterbenswörtchen an Edathy weitergeraunt haben will? Und wieso dauerte es knapp eine Woche, bis der offizielle Brief der Staatsanwaltschaft Hannover – nur 280 Kilometer entfernt – in Berlin bei Bundestagspräsident Wolfgang Lammert eintraf? Nebelkerzen noch immer.

Friedrich sei sich über die „Dimension des Sachverhalts bewusst“ gewesen, hatte Angela Merkel am Freitagvormittag ihren Regierungssprecher kühl nach einem „intensiven Gespräch“ mit dem CSU-Mann mitteilen lassen. Rückendeckung? Fehlanzeige. So läuft es, wenn ein Minister nicht mehr im Amt zu halten ist, die sensible Absprache mit der bayerischen Schwesternpartei aber noch ein paar Stündchen braucht. Friedrich durfte nicht einmal mehr abwarten, bis um Zuständigkeit ringende Staatsanwälte in Hannover und Berlin ein Ermittlungsverfahren gegen ihn einleiteten. Wenn er doch nur geschwiegen hätte.

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