Wird in Deutschland bald Genmais angebaut? Foto: dpa

Der Streit um Gen-Pflanzen taugt nicht zum politischen Geschacher, findet unser Kommentator Walther Rosenberger

Stuttgart - Angela Merkel, die Taktikerin – am Dienstag hat sie ihrem Namen wieder Ehre gemacht. Bei einer entscheidenden Abstimmung im Brüsseler Ministerrat zur Zulassung von Gen-Mais hat sich die Bundesregierung enthalten. Auf Druck des Bundeskanzleramts, wie es hinter den Kulissen heißt. Jetzt muss nur die als Gentechnik freundlich geltende EU-Kommission noch zustimmen. Dann ist der Weg für Labor-Mais auf deutschen Äckern frei.

Ob es tatsächlich so weit kommt, ist indes noch nicht sicher. Sowohl in der Bevölkerung als auch in den Ministerien der Länder gibt es eine breite Ablehnung gegenüber grüner Gentechnik. Sogar Bundesminister senken den Daumen. „Ich hoffe, dass es uns gelingt, mit einer Ausstiegsklausel den Anbau in Deutschland zu verhindern“, sagt Bundeslandwirtschaftsminister Hans-Peter Friedrich (CSU) nach der Abstimmung. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) äußert sich ähnlich. Fragt man die Deutschen, lehnen fast 90 Prozent gentechnisch veränderte Sorten auf dem Teller ab.

Die Haltung der Menschen ist dabei mehr als ein Bauchgefühl. Sie ist rational begründbar. Viele der scheinbaren Vorzüge gentechnisch veränderter Pflanzen fallen bei näherer Betrachtung in sich zusammen. Das zentrale Argument, nur durch sie ließe sich die Ernährung der Welt auf Dauer sichern, steht auf wackeligen Füßen. Zwar stecken die Labor-Pflanzen Hitze und Trockenheit besser weg als ihre gewöhnlichen Vettern. Die Ertragssteigerungen sind trotz jahrelanger Forschung aber äußerst dürftig. Hinzudesignte Resistenzen gegen Schädlinge überdauern zudem meist nur wenige Jahre. Dann gewinnen Parasiten wieder die Überhand, und die Erträge der Labor-Pflanzen sinken.

Milliardengeschäft für Saargutkonzerne

Gewichtiger noch ist das Argument, dass sich Bauern, die Gen-Arten verwenden, in starke Abhängigkeit weniger Saatgutkonzerne begeben. Wer Gen-Sorten benutzt, kann nicht mehr selbst Samen daraus ziehen, sondern muss jedes Jahr neue Körner bei Monsanto, Dupont, BASF oder Dow Chemical kaufen. Nur 17 dieser Firmen gibt es weltweit, und sie liefern natürlich auch das perfekt abgestimmte Spritzmittel, ohne das ein Anbau unmöglich wird. Für die Unternehmen ist das ein Milliardengeschäft. Einmal am Haken, sind ihnen die Bauern ziemlich schutzlos ausgeliefert.

Bei genauer Betrachtung helfen Genmais und Co also nur einer guten Handvoll Pharmariesen. Viele der Versprechungen der Industrie haben sich dagegen nicht erfüllt. Mittlerweile rät sogar der Deutsche Bauernverband seinen Mitgliedern ab, Labor-Sorten zu verwenden. Und die Acker-Funktionäre gelten technischen Innovationen gegenüber im Normalfall als ziemlich aufgeschlossen.

Umso mehr verwundert es daher, dass Deutschland sein Gewicht innerhalb der EU nicht geltend macht und sich klar gegen Gentechnik auf dem Acker ausspricht. Die Gründe dafür sind wohl auf einem ganz anderen Feld zu suchen. Das Freihandelsabkommen der EU mit den USA ist im Zuge der NSA-Spitzelaffäre ins Stocken geraten. In einem weiteren heiklen Bereich des Abkommens – der Landwirtschaft – Sand ins Getriebe zu streuen, käme da zur Unzeit. Also gibt man sich in Berlin konziliant.

Die Taktik, bei der Gentechnik wegen des Milliardenprojekts Freihandel klein beizugeben und auf ein späteres Verbot durch die Hintertür zu hoffen, kann aber nicht aufgehen. Denn sie kostet politische Glaubwürdigkeit – für Politiker die wichtigste Währung überhaupt.

w.rosenberger@stn.zgs.de