Ein Badegast im Stuttgarter Mineralbad Leuze Foto: dpa

Stuttgarts Marketing-Chef Dellnitz muss nach schlechtem Start in Tritt kommen.

Stuttgart - Stuttgart hat kein Brandenburger Tor und auch keinen Seehafen. Dennoch hat die Region Stuttgart unter dem früheren Tourismuschef Klaus Lindemann in 15 Jahren kräftige Zuwächse erzielen können. In der Landeshauptstadt von 1,3 auf 2,7 Millionen Übernachtungen pro Jahr. In der Region sogar von knapp vier auf 6,6 Millionen. Das Erfolgsrezept: Lindemann setzte auf die Vielfalt der Region. Nun ist sein Nachfolger Armin Dellnitz seit über einem Jahr am Ruder, und dessen Bilanz fällt bisher eher mager aus. Zwar hat Stuttgart 2010 um etwa acht Prozent bei den Übernachtungen zulegen können. Doch dieser Wert bezieht sich aufs Krisenjahr 2009, wo man über acht Prozent verlor. Großstädte wie Frankfurt, Leipzig, Berlin und München haben 2010 zweistellige Zuwächse. Um aufzuholen, möchte Dellnitz Stuttgart ein neues Image und Logo verpassen - und ist im ersten Anlauf auf die Nase gefallen. Der Entwurf erntete so viel Spott, dass er nachbessern muss.

Geschenkt. Wegen eines Logos wird kein Mensch nach Stuttgart kommen. Zwei von drei Übernachtungsgästen sind Geschäftsreisende. Damit sind die Hoteliers extrem von der Konjunktur abhängig. Das zweite Standbein bei den Übernachtungen, der Freizeittourismus, muss ausgebaut werden. Hier gibt es im Umland viel Potenzial. Die Bäder-Kommunen im Kreis Göppingen schlummern ebenso vor sich hin wie Beuren am Fuß des Hohenneuffen. Eine große Chance bietet auch der Radtourismus. Doch wer weiß schon, dass es von Aalen bis Tuttlingen eine 368 Kilometer lange Mountainbikeroute entlang des Albtraufs gibt? Und ein durchgehender Radwanderweg in der Region fehlt nach wie vor.

Erster Schritt in die richtige Richtung

Hier ist Dellnitz gefordert. Warum nicht Stuttgart und seine Region zum Fahrrad- und Badeland machen? Die E-Bikes eröffnen gerade im hügeligen Stuttgart ganz neue Möglichkeiten. Ein Eldorado für Mountainbiker, aber auch für Freizeitradler, die nun bequem die Täler von Neckar, Rems, Enz und Murr sowie die Weinberge entdecken können. Über allem strahlt Stuttgart als Kulturmetropole mit seinen Museen, Musicals, der Oper und dem Ballett. Als Solist aber darf sich die Landeshauptstadt nicht sehen. Nur wenn sie gut mit ihrem Umland vernetzt ist, ist sie stark.

Wie es nicht gemacht werden sollte, zeigt der Dauersteit um neue Hotelbetten. Bis 2012 kommen in Stuttgart zu den 8685 Betten in der Stadt rund 2210 weitere hinzu. Was viele ignorieren: Im Gegensatz zu anderen Großstädten liegen Messe und Flughafen nicht auf städtischer Gemarkung. Also entwickeln sich auch Nachbarkommunen rasant. Allein in Leinfelden-Echterdingen hat sich die Bettenzahl in nur drei Jahren auf 2018 nahezu verdoppelt. Eine gemeinsame Strategie, wieviele Drei-, Vier- oder Fünf-Sterne-Hotels die Region braucht, gibt es aber nicht.

Gewiss: Stuttgart ist keine Metropole wie Berlin oder Hamburg. Aber Stuttgart hat mit dem Schwarzwald, der Alb und dem Schwäbischen Wald ein Umland, das einzigartig ist im Deutschland-Tourismus. Diese Trümpfe muss Dellnitz ausspielen. Das von ihm jetzt vorgestellte neue Angebot, dass alle Gäste, die über Stuttgart Marketing spezielle Hotels buchen, in diesem Jahr ein VVS-Netzticket gratis für bis zu acht Tage bekommen, ist ein erster Schritt in die richtige Richtung.