OB Schuster tritt ab und übergibt eine bestens bestellte Stadt, meint StN-Lokalchef Jörg Hamann.
Stuttgart - Wolfgang Schuster hält es mit einer alten Lebensweisheit: Man soll aufhören, wenn es am schönsten ist. Viele Größen aus Politik, Sport, Kultur und Show-Geschäft haben den richtigen Zeitpunkt für ihren Abgang verpasst. Nicht so der Stuttgarter Oberbürgermeister: Nach 15 Jahren im Amt ist er auf dem Zenit seiner Regentschaft, bei einer nochmaligen Kandidatur für dann weitere viereinhalb Jahre hätte er viel zu verlieren, aber nur wenig zu gewinnen. Schuster hat für sich persönlich die richtige Entscheidung getroffen. Respekt!
Seine Begründung leuchtet ein: Er könne die Verantwortung auf einer „sehr soliden und zukunftsfähigen Grundlage“ am 7. Januar 2013 in andere Hände legen und das Steuer „guten Gewissens abgeben“. In der Tat steht die Landeshauptstadt im nationalen wie im internationalen Vergleich nicht nur wirtschaftlich, sondern in allen wesentlichen Bereichen glänzend da. Alle Studien belegen dies seit Jahren eindrucksvoll. Zudem sind wichtige Weichen für die Zukunft gestellt, auch hier stimmt Schusters Bilanz: Ob Bildung, städtebauliche Entwicklung oder Energiewende – die Felder sind meist bestellt, die Ernte können andere einfahren. Die Ausgestaltung der neuen Stadtwerke will er in seinem letzten Amtsjahr selbst mit bestimmen.
Kandidatensuche unter neuen Vorzeichen
Es ist Schusters Schicksal, dass sein stetes Bemühen um die Modernisierung der Stadt vom Dauerkonflikt um Stuttgart 21 überlagert wurden. Selbst seine für einen CDU-Politiker damals mutigen gesellschaftspolitischen Vorstöße im Bereich der Kinderbetreuung und Integration standen im S-21-Schatten. Doch die Verengung auf diesen einen Aspekt wird seiner Amtszeit absolut nicht gerecht. Dass er trotz aller persönlichen Anfeindungen bei allen Auseinandersetzungen um Stuttgart 21 nicht wankte, sondern aus Überzeugung für das Verkehrs- und Stadtentwicklungsprojekt kämpfte – auch das ist ein Qualitätsmerkmal: Verlässlichkeit auch in schwierigen Zeiten.
Schuster hat als Nachfolger von Manfred Rommel die Folgen der ersten Wirtschaftskrise der Stadt nach dem Zweiten Weltkrieg meistern müssen, als 1993/94 binnen zwei Jahren 40.000 Industriearbeitsplätze verloren gegangen waren. Wäre Stuttgart jetzt in einer ähnlichen Lage, sagte Schuster beim Empfang im Rathaus am Montag, würde er nochmals kandidieren. Diese Haltung nimmt man dem Pflichtmenschen Schuster ab. An Fleiß, Beharrlichkeit und Gestaltungswillen hat er höchste Maßstäbe gesetzt. Der nächste Stuttgarter OB wird sich daran messen lassen müssen.
Nach Schusters Entscheidung steht die Kandidatensuche für die OB-Wahl im Herbst nicht nur in der CDU unter neuen Vorzeichen. Gesucht wird der vierte Nachkriegs-OB nach Arnulf Klett, Manfred Rommel und Wolfgang Schuster. Für alle Parteien geht es nun darum, jemanden zu finden, der fähig ist, das zweitwichtigste Amt in Baden-Württemberg auszuüben. Seit Montag ist die Stunde möglicher Zählkandidaten vorbei: Wer antritt, muss angesichts knapper Mehrheitsverhältnisse in der Landeshauptstadt damit rechnen, auch gewählt zu werden. Für Spannung(en) ist gesorgt.
Hier finden Sie die Rede von OB Schuster, in der er seine Entscheidung, nicht nochmal zu kandidieren, begründet.