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Frank-Walter Steinmeier ist mit der irritierenden Attitüde ins Amt gestartet, dass nach der Zeit des Westerwelleschen Dilettantismus nun wieder ein Profi ins Außenamt zurückkehrt, sagt Politikredakteur Norbert Wallet.  

Die Kanzlerin hat gestern auf dem Brüsseler EU-Gipfel Skepsis gegenüber ihrem Lieblingsprojekt zu spüren bekommen, die Mitgliedsstaaten auf vertraglich verbindliche Reformzusagen festzulegen. Es ist in Brüssel mit Händen zu greifen gewesen, dass etliche Länder abwarten, ob das sozialdemokratische Element im neuen Kabinett nicht doch noch zu einem milderen Berliner Kurs führen könnte. Merkel hat lange einen – heilsamen – Zwang zu Reformen, Konsolidierungen und Einsparungen in den nationalen Etats ausgeübt. Jetzt ist bei so manchem die Grenze der Duldsamkeit erreicht. Dafür sollte Berlin Verständnis haben. Es muss ja nicht zu einer prinzipiell veränderten Politik führen, aber gerade in der Welt der Diplomatie macht der Ton die Musik. Von Außenminister Frank-Walter Steinmeier darf man erwarten, dass er Gespür und Verständnis für die Lage vieler, zumal kleinerer EU-Staaten mitbringt.

Steinmeier ist allerdings mit der irritierenden Attitüde ins Amt gestartet, dass nach der Zeit des Westerwelleschen Dilettantismus nun wieder ein Profi ins Außenamt zurückkehrt. In seiner Antrittsrede im Auswärtigen Amt hatte er in einer kaum noch diplomatischen Art zu verstehen gegeben, was er von den vier Jahren des liberalen Ministers hält. „Klare Sprache und wortstarke Statements“ seien schon in Ordnung, sagte er – wenn sie auf kluger Analyse gründeten. Das war deutlich. Wie sich Westerwelle etwa auf dem Kairoer Tahir-Platz feiern ließ, das ging Steinmeier zu weit, zumal der selbstgefällige Auftritt zu einer Zeit stattfand, da der Fortgang der Revolution noch gar nicht absehbar war. Tatsächlich stehen die Jubelbilder in bedrückendem Gegensatz zur heutigen Lage in Ägypten.

So weit kann man Steinmeier folgen. Befremdlich ist dagegen, in welchem Punkt er Westerwelle lobt. Er zollt ihm ausdrücklich Anerkennung für die Fortsetzung „der Kultur militärischer Zurückhaltung“. Das mag verständlich sein, wenn es um Westerwelles Skepsis gegenüber einer militärischen Strafaktion in Syrien ging. Aber hat die beschworene Kultur militärischer Zurückhaltung im Fall der Nato-Luftschläge in Libyen nicht auch zum größten Fiasko deutscher Außenpolitik seit Jahrzehnten geführt? Abgesehen davon, dass Steinmeier die Sache handwerklich eleganter gelöst hätte – in der Sache war er mit Westerwelles Position, die Deutschland isolierte, einverstanden.

Auch in Steinmeiers Denken gibt es eine befremdliche Konstante: der Glaube an eine besondere Berufung deutscher Außenpolitik. Das wird nirgendwo deutlicher als im Verhältnis zu Russland. Steinmeier glaubt an die besondere deutsche Pflicht, stockende Dialoge zwischen Moskau und Washington wieder in Gang zu bringen, den Kreml einzubinden, Gesprächskanäle offenzuhalten. Gut gemeint, edel gedacht. Aber Berlin steht in der Versuchung, sich zu überheben.

Berliner Offerten sind nicht das Kriterium für Putins Außenpolitik. So wie es eine Hybris ist zu glauben, Deutschland hätte ein besonderes Verhältnis zum Iran oder könnte in Nahost den Mittler geben. Mit diesem Konzept als globalem Moderator, als Weltvermittlungsausschuss ist Steinmeier bereits in seiner ersten Amtszeit aufgelaufen. Seine „Modernisierungspartnerschaft“, die er Putin vorschlug, sorgte im Kreml kaum für ein Heben der Augenbrauen. Sein Versuch, durch Gesprächskontakte auf das Assad-Regime mäßigend einzuwirken, scheiterte. Es wäre fürs Erste kein schlechter Ansatz, beließe es Steinmeier beim Bemühen, die Nato zu stabilisieren, das Verhältnis zu den USA zu verbessern und Berlin in der EU nicht als nervend fordernder Zuchtmeister dastehen zu lassen.