Nevra Ece aus Albstadt-Ebingen ist seit ihrer Corona-Erkrankung Dialysepatientin. Foto: Ece

Nevra Ece aus Albstadt war eine gesunde 18-Jährige, bis sie sich mit Corona infizierte und in ein künstliches Koma versetzt werden musste. Heute ist sie Long-Covid-Patientin. Unserer Redaktion erzählt sie von ihrer Erkrankung und wie sie es schafft, sich selbst zu therapieren.

Albstadt-Ebingen - Im November 2021 wird die damals 18-jährige Nevra Ece aus Ebingen positiv getestet. "Es ging mir sehr schlecht, ich konnte nicht atmen und bin blau angelaufen", erzählt sie heute. Am 30. November, eine Woche nach dem positiven Test, wurde sie ins Krankenhaus eingeliefert. Ihr sei damals versichert worden, sie bräuchte nur Sauerstoff, es sei nichts Schlimmes und sie könnte am nächsten Tag wieder nach Hause gehen.

Doch es kam anders. Die Schülerin musste intubiert, an die Herz-Lungen-Maschine ECMO angeschlossen und ins künstliche Koma versetzt werden. 24 Tage lag Nevra im Koma, auch an ihrem 19. Geburtstag. Während des künstlichen Schlafs erlitt sie neben einer Hirnblutung auch eine Herzmuskelentzündung, Lungen und Nieren versagten. An Letzterem leidet sie noch heute. Vorerkrankungen hatte die junge Frau keine. "Ich bin ein sehr gesunder Mensch", sagt sie. "Ich konnte mir mein Leben nicht besser vorstellen."

Albträume im Koma

Im Koma hatte Nevra viele Albträume. "Anfangs waren sie sehr realistisch, doch als ein Albtraum sich immer wiederholte, habe ich gemerkt, dass ich träume", erzählt sie. Das Klinik-Personal in Tübingen habe immer wieder mit ihr geredet, ihr erklärt, wo sie sich befinde und was passiert sei. Teilweise bekam Nevra dies mit, in ihren Träumen erzählte ihr dies allerdings stets ihre Familie. "Als ich dann an Heiligabend aus dem Koma geholt wurde, dachte ich zuerst, ich träume weiter. Erst ein bis zwei Tage später konnte ich nachfragen, was eigentlich passiert ist", so die 19-Jährige.

Aufgrund des Nierenversagens musste Nevra auf der Intensivstation mit der sogenannten Hämodialyse behandelt werden. Dazu bekam die Schülerin einen Katheter an den Hals, doch die Stelle entzündete sich. Später wurde dann entschieden, dass es "so nicht weitergehen kann", berichtet sie.

Seit Anfang 2022 bekommt sie stattdessen eine Peritoneal- oder auch Bauchfelldialyse, die sie selbst Zuhause über Nacht durchführen kann. Eine Maschine leitet dabei über einen Katheter Dialyseflüssigkeit in die Bauchhöhle. Nach mehreren Stunden saugt die Maschine die Flüssigkeit zusammen mit überschüssigem Wasser und Giftstoffen wieder ab. Dies ist notwendig, da Nevras Niere ihr Blut nicht mehr von alleine reinigen kann. Nebenwirkungen von der Peritonealdialyse bekommt sie glücklicherweise keine. 

Wie lange ihr Zustand noch andauert, können auch die Ärzte nicht sagen. Allerdings zeige die Dialyse bereits eine positive Wirkung, bei jedem Kontrolltermin ginge es ihr besser, erzählt die junge Frau. Zusätzlich zur Dialyseflüssigkeit bekommt Nevra bei jeder Behandlung zwei Beutel Glucose. In ein paar Monaten könnte ein Beutel genügen. Eventuell wird Nevra dann sogar mit der Behandlung pausieren können. "Momentan bin ich einfach nur froh, dass ich noch lebe und jetzt hier stehe", sagt die Albstädterin.

Fechten aufgeben und Schule abbrechen

Die junge Frau leidet nicht nur an akutem Nierenversagen, sondern hat auch andere Long-Covid-Symptome. "Bevor ich krank wurde, habe ich gefochten", erzählt sie. "Als ich aus dem Krankenhaus entlassen wurde, konnte ich kaum laufen, stehen oder zur Toilette gehen. Ich hatte keine Kraft mehr im Körper."

Auch heute noch kann sie keine langen Strecken zu Fuß gehen. zu lange laufen oder gar rennen. "Mit dem Fechten musste ich leider aufhören und anstatt zu laufen, fahre ich jetzt Fahrrad. Ich hoffe, ich bekomme es mit dem Fechten nochmal hin."

Die Schule musste sie vorerst abbrechen. "Ich konzentriere mich erst einmal darauf, dass meine Gesundheit besser wird." Nach den Sommerferien geht es für sie wieder los mit dem Unterricht. 

Zusätzlich zu den gesundheitlichen Problemen belastet Nevra noch etwas anderes. Denn auch in ihrem Umfeld gibt es Corona-Leugner. "Die Menschen kennen mich persönlich und haben auch für mich gebetet, als ich im Koma lang. Trotzdem leugnen sie immer noch dieses Virus und sagen mir, ich sei krank geworden, weil ich so große Angst vor Corona hatte. Das stimmt nicht", betont sie.

Selbsttherapie durch Instagram

Nach ihrer Krankenhaus-Entlassung bekam Nevra Ergotherapie. Bald aber merkte sie, dass sie auch psychologische Hilfe bräuchte. "Mir ging es einfach nicht gut", berichtet die Schülerin. Doch alle Therapieplätze waren besetzt. Sie fing an, sich selbst zu helfen.

Die 19-Jährige startete die Instagram-Seite "pd journal", auf der sie über ihre Erfahrungen mit Dialyse und Long Covid berichtet. "Ich kann nur jedem raten, dass man Corona ernst nehmen und auf alles gefasst sein sollte", sagt sie. Sie selbst habe sich anfangs auch nur Gedanken darüber gemacht, welche Auswirkungen eine Corona-Erkrankung auf ihre schulischen Leistungen, auf ihre Prüfungen haben könnte. Nicht über drohende gesundheitliche Folgen.

Über Instagram bekommt sie Rückmeldung von Menschen, die selbst von Long Covid betroffen oder auf Dialyse angewiesen sind. Auch Angehörige von Patienten melden sich bei ihr. "Mir hat zum Beispiel eine ältere Frau geschrieben, deren Vater im Koma liegt. Und sie meinte, ich hätte ihr durch meine Beiträge wieder Hoffnung gegeben", berichtet Nevra.

Dass sie Menschen durch ihre eigenen Erfahrungen unterstützen kann, helfe ihr selbst, das erlebte zu verarbeiten. "Ich möchte aber eigentlich nicht direkt Hoffnung machen, sondern zeigen, dass es möglich ist, es zu überwinden", sagt die 19-Jährige. "Während ich im Koma lag, hieß es, wenn ich aufwache, müsste ich immer mit einem Sauerstoffgerät rumlaufen müssen." Dies trat jedoch nicht ein, ihre Sauerstoffsättigung befinde sich wieder im normalen Bereich.