Alle Jahre wieder: Stierhatz in den Gassen von Pamplona Foto: AP

Manche Leute schockieren die Bilder der alljährlichen Tierhatz durch die Gassen von Pamplona. Andere sind fasziniert. Bei StN-Vielfahrer a. D. Tom Hörner rütteln sie Erinnerungen wach.

Stuttgart/Pamplona - Haben Sie auch die Bilder aus Pamplona gesehen? Gut, das ist ein bisschen wie bei „Dinner for One“, dieselbe Prozedur wie im letzten Jahr. Junge Kerle rennen vor und neben noch jüngeren Stieren her und man fragt sich: Ist es möglich, dass man so was im nüchternen Zustand tut?

Wir waren auch mal junge Stiere, fuhren zu schnell durch die Gassen unserer Vorstädte, hinterließen im Asphalt Hufabdrücke aus Gummi. Und heute? Heute rolle ich über die Landstraße und freue mich, wenn sich die Nadel des Drehzahlmessers in einem Bereich einpendelt, den mein Autohersteller als „öko“ bezeichnet. Wenn ich durch die Pampa gleite, werde ich manchmal von hinten von einem jungen Stier bedrängt. Ich lasse ihn ziehen, soll er seine Hörner an einem anderen abstoßen.

Früher wollte ich Kontinente durchqueren. Fahren wurde zelebriert, ich saß rindslederbehandschuht hinterm Steuer. Warum die Leidenschaft auf der Strecke blieb? Ich weiß es nicht. Vielleicht sind die Grünen schuld. Vielleicht hat es damit zu tun, dass ich fahrerisch alles erreicht habe, was man als durchschnittlich begabter Automobilist erreichen kann. Ich kam unfallfrei durch die Nordschleife auf dem Nürburgring; ich trieb auf der Autobahn die Tachonadel eines Sportwagens an die 300-km/h-Marke. Man soll das Glück nicht überstrapazieren.

Neulich fuhr ich mit meinen Fahrrad durch Südfrankreich. Die Straße stieg leicht an. Zu meiner linken tauchten hinter einem Zaun junge Stiere auf. Sie glotzten mich an und verschwanden. Bis auf einen, der begann zu rennen. Ich wunderte mich, warum er vor mir herlief, bis ich sah, dass er außerhalb des Zauns war. Es war kein angenehmes Gefühl. Ich verlangsamte meinen Tritt, nicht dass der Kerl in Panik die Marschrichtung ändert. Irgendwann querte er die Straße, verschwand im Dickicht. In Pamplona brauche ich mich mit der Geschichte nicht blicken zu lassen.