Peter Thiele fühlt sich ungerecht behandelt. Foto: Klossek

67-Jähriger muss Wohnung räumen. Zahl der Hilfsbedürftigen steigt. Behörde erläutert Berechnung.

Königsfeld - Zahlreiche Menschen im Landkreis, darunter auch viele Rentner, sind auf Grundsicherung angewiesen – Tendenz steigend. Einer von ihnen ist Peter Thiele, der sich vom Sozialamt im Stich gelassen fühlt. Doch die Geschichte weist Lücken auf.

Peter Thiele sitzt im Wohnzimmer seiner Drei-Zimmer-Wohnung in Königsfeld. Vor ihm liegen zahlreiche Aktenordner, Ausdrucke und Briefe stapeln sich. Sie zeugen von einem regen Schriftverkehr, zwischen ihm und den Behörden, seiner Vermieterin, dem VdK, der Caritas. Aktenzeichen, Gerichtsurteile, E-Mails, Atteste von Ärzten, die ihm eine schwere Herzkrankheit bescheinigen.

In einem Brief hat er sich an unsere Zeitung gewandt. Denn der 67-Jährige fühlt sich alleine gelassen - von der Gemeinde, dem Sozialamt, der Welt. "Ich frage mich einfach, warum es immer mich trifft", meint er. Dann beginnt er, seine Geschichte zu erzählen.

Frau verlässt die gemeinsame Wohnung

Wie seine Frau, die er erst drei Jahre zuvor geheiratet hatte, aus gesundheitlichen Gründen aus der gemeinsamen Wohnung auszog. Wie er seither alleine die Miete nicht mehr stemmen kann, weil seine Ehefrau diese aufgrund ihrer höheren Rente übernommen hat. Und dass ihm das Sozialamt nun die Unterstützung versagt. Um seine Geschichte zu verdeutlichen, zieht er immer wieder Ordner aus dem Stapel, blättert hastig in den Unterlagen, sucht die Beweise. Nicht immer sind sie zu finden.

Als Thiele seine Frau kennengelernt hatte, lebte er laut eigener Aussage noch im Seniorenheim Hirschhalde in Bad Dürrheim. Dort traf er die elf Jahre ältere Dame, mit der er später nach Königsfeld zog. Thiele selbst stammt aus der DDR, nach einem Arbeitsunfall konnte er nie wieder Vollzeit arbeiten. Seine Mutter habe ihn Ende der 80er-Jahre freigekauft. In Westdeutschland war er dann auf Unterstützung angewiesen.

Da seine Rente heute weniger als 400 Euro beträgt, hat er auch für seine letzte eigene Wohnung – bevor er mit seiner Frau zusammenzog - Geld vom Staat erhalten. Obwohl er nun wieder alleine lebt, wolle ihm das Amt die Miete nicht mehr bezahlen. Die Wohnung sei zu teuer und zu groß für eine Person. Seit September 2017 sind daher laut Thiele keine Gelder mehr geflossen. Nach und nach entbrennt ein erbitterter Streit zwischen ihm und seiner Vermieterin, die die sich anhäufenden Mietrückstände nicht in Kauf nehmen will. Anwälte nehmen sich der Sache an.

1609 Personen beziehen Grundsicherung

Doch kommt das Landratsamt Schwarzwald-Baar-Kreis tatsächlich nicht seinen Pflichten nach? Auf Nachfrage unserer Zeitung verweist die Behörde auf den Datenschutz. Man könne zu dem speziellen Fall "keine Auskunft erteilen", so Kristina Diffring. Allerdings gibt sie bereitwillig Einblick, wie sich die generelle Situation im Landkreis darstellt. Und die zeigt: Viele Menschen sind auf Hilfe vom Land Baden-Württemberg angewiesen - Tendenz steigend.

"Im zweiten Quartal 2018 wurden im Schwarzwald-Baar-Kreis 1609 Personen, die zu Hause leben, mit Grundsicherung im Alter und bei dauernder Erwerbsminderung unterstützt", so Diffring. Allein die Anzahl der über 65-Jährigen hat sich in den vergangenen Jahren kontinuierlich erhöht: Waren vor sieben Jahren 710 Personen auf Grundsicherungsleistungen angewiesen, sind es Mitte dieses Jahres bereits 963.

Jüngste Anpassung im Frühjahr

Die Unterstützung berechnet sich laut Landratsamt nach dem individuellen beziehungsweise persönlichen Bedarf und dem zur Verfügung stehenden Einkommen. Ein Beispiel: Der Regelsatz für Alleinstehende beträgt 416 Euro. Hinzu komme die Übernahme einer "angemessenen Miete", die in etwa bei 400 Euro im Monat liege. "Auf diese Leistungen haben alle Anspruch, die nicht über ein ausreichendes Einkommen und relevantes Vermögen verfügen", sagt sie.

Wie hoch der Mietzuschuss ausfällt, hänge vom monatlichen Gesamteinkommen aller Haushaltsmitglieder ab. Die Einkommensgrenze für einen Ein-Personen-Haushalt im Schwarzwald-Baar-Kreis liegt derzeit bei etwa 900 Euro netto im Monat. "Wer ein höheres Einkommen hat, bekommt kein Wohngeld mehr", so die Mitarbeiterin weiter. Je nach Kommune können diese Beträge leicht abweichen.

Um die Entwicklungen im Immobiliensektor überblicken zu können, recherchiert die Landkreisverwaltung wöchentlich das Wohnungsangebot. Diese Recherchen und der Mietspiegel der Stadt Villingen-Schwenningen bilden die Grundlage für Berechnungen und eventuelle Anpassungen. "Die letzte Anpassung erfolgte im Frühjahr dieses Jahres", erklärt sie.

Für Thiele, folgt man seinen Ausführungen, scheint sich keine Wohnung zu finden. Bis nach Triberg sei er gefahren. Täglich habe er die bekannten Immobilienseiten im Internet besucht. Pflichtbewusst, so seine Version der Geschehnisse, habe er nach Alternativen gesucht, dem Amt andere Wohnungsangebote geschickt. Man sei darauf nicht eingegangen, seine Anfragen stets ignoriert. Warum – darauf habe er keine Antwort.

Es ist eine Geschichte, die einige Lücken aufweist. Ungereimtheiten, die nicht abschließend zu klären waren. Allein das Wort des 67-Jährigen steht im Raum. Das Landratsamt äußert sich nicht zum Einzelfall, einige Dokumente fehlen oder sind laut Thiele auf die Schnelle nicht auffindbar. Fakt ist aber: Die Wohnung muss der 67-Jährige nun zwangsräumen. Mit seiner Frau hat er "abgeschlossen", die Scheidung läuft.

Die Zwangsräumung ist für Thiele ein Skandal. Man habe ihn damit bewusst in die Obdachlosigkeit treiben wollen, so sein Vorwurf. Die Caritas hat ihm derweil ein Zimmer in Schwenningen vermittelt. Vorerst soll er dort hinziehen, dann will er zurück in den Osten. Weg vom Schwarzwald, dorthin, "wo alles besser ist" – zumindest in seiner Erinnerung.