Vor einer großen Zahl von Besuchern spricht Jörn Gutbier über Gefahren von Mobilfunkstrahlung und Möglichkeiten, die Exposition zu verringern. Foto: Hübner Foto: Schwarzwälder Bote

Grenzwerte: Verantwortungsvoller Umgang

Um verantwortungsvollen Umgang mit Mobilfunk ging es im Gasthaus Kreuz bei einer Infoveranstaltung des Vereins Diagnose:Funk. Dessen Vorsitzender Jörn Gutbier zeichnete ein erschreckendes Bild der Auswirkung von Mobilfunkstrahlen.

Königsfeld-Neuhausen. Anlass war die Suche der Telekom nach neuen Standorten für Sendemasten in Neuhausen und Erdmannsweiler, so Stephanie Richter. Direkt betroffen seien die Kindergärten . Das widerspreche der freiwilligen Selbstverpflichtung der Betreiber und der versprochenen, besseren Kommunikation mit Kommunen.

Der Verein habe den Anspruch, dass alle Veröffentlichungen zu Hundert Prozent richtig seien, so Gutbier. Im Internet gebe es seitens Betreibern Dif famierungen, um Kritiker zu diskreditieren. Der jetzige Mobil funkausbau sei datengetrieben. Zudem stehe man mit dem Internet der Dinge (Internet of Things, IoT) kurz vor einem massiven weiteren Ausbau.

Das Heft "Späte Lehren aus frühen Warnungen" der europäischen Umweltagentur zeige Hundert Jahre Technikgeschichte als Hundert Jahre des Versagens politischer Vorsor ge. Beispiele seien Asbest oder PCB. In der neuesten Ausgabe sei auch Mobilfunk Thema. Laut Bundesregierung schützten Grenzwerte, es gebe keine gesundheitlich relevante Auswirkung und nur bei Kindern Klärungsbedarf. Dabei berufe sie sich auf den privaten Verein ICNIRP.

Dessen Empfehlungen nannte aber Neil Cherry von der Lincoln Universität in Neuseeland selektiv, irreführend und fehlerhaft. Nach strengen Regeln seien gepulste Mikrowellen erbgutverändernd, krebserregend und fehlbildend. Cherry spreche von einem Strahlungswert von 1000 Mikrowatt pro Quadratmeter (μW/m 2), um Menschen zu schützen. Die Kommission zur Folgenabschätzung der EU fordere gar 170 μW, um auch Sensible zu schützen. Demgegenüber liege der Grenzwert zum Beispiel in der Schweiz bei 100 000, in Paris bei 10 000.

Ein DECT-Telefon könne mit mehreren 100 000 μW strahlen, WLan-Endgeräte mit bis zu 200 000, Router mit bis zu 50 000. Im Vergleich dazu fordere der BUND 100 μW als Gefahrenabwehr. Um Handyfunktion zu gewährleisten reichten 0,00005 μW.

Der Grenzwert in Deutschland schütze nur vor kurzfristiger Erhöhung der Gewebetemperatur. Bereits seit 15 Jahren werde über nicht auf Wärme beruhende Zelleffekte gestritten. Russische Studien zeigten Schlafstörungen, Depressionen oder Chromosomenbrüche. Laut amerikanischen Wissenschaftlern könne die lange Exposition geringer, ständiger Strahlung für die Volksgesundheit verheerend sein. Über 800 internationale Studien zeigten Ergebnisse, beispielsweise eine klare Steigerung von Tumoren an Zunge und Hals. Störungen des Immunsystems oder Schädigungen von Sperma seien zu 90 Prozent sicher, eindeutig Krebsentstehung unterhalb der Grenzwerte. Mobilfunk sei aufgrund des nicht einschätzbaren Gefahrenpotenzials nicht versicherbar. 222 Wissenschaftler aus 42 Staaten forderten den Schutz von Kindern und Schwangeren, industrieunabhängige Forschung oder strahlenfreie Gebiete. Auch das erkenne die Bundesregierung nicht an. Im Bereich Mobilfunk herrschte Hundert Prozent politisches Versagen.

Gutbier berichtete von Bemühungen der Betreiber, kritische Wissenschaftler zu ruinieren und zog Parallelen zu Forschungen zu Zigarettenrauch. Die Betreiber selbst rieten, Mobilfunkgeräte nie näher als eineinhalb Zentimeter an den Körper zu halten. Schwangere sollten demzufolge die Geräte gar nicht am Körper tragen. Möglich seien Unfruchtbarkeit oder Folgewirkungen für Neugeborene.

"Wir haben kein Erkenntnisproblem. Es gibt ausreichend dokumentierte Fallberichte", so das Fazit von Gutbier. Es brauche nun Vorsorge mit der Maßgabe, Strahlung so zu verringern wie wissenschaftlich und technisch möglich.

Er sprach über Möglichkeiten, Mobilfunkstrahlung zu senken. Eine sei die Reduzierung der Anzahl der Netze. Leistungen von unter 100 μW und kleinste Masten seien möglich, wenn man auf die Versorgung von Innenräumen verzichte. Aus St. Gallen berichtete Gutbier von erfolgreichen Versuchen mit kleinsten Masten und geringster Strahlung. So seien auch strahlungsfreie öffentliche Räume möglich.

Kommunen hätten nur wenige Möglichkeiten, Bewohner zu schützen, so Gutbier während der Fragerunde. Sie müssten zulassen, dass Betreiber ihrem Geschäft nachgehen können, dürften aber Maßnahmen zur Minimierung der Strahlenbelastung einfordern. Man könne Verträge vorlegen, in denen Betreibern die volle Haftung für Schäden zugeschrieben werde. Höchstrichterlich gesichert sei, dass Betreiber Grenzwerte nicht einfach aufs Äußerste ausnutzen dürfen.

Die in Königsfeld von der Telekom geforderten LTE-Masten könnten bei optimalen Bedingungen zehn Kilometer überwinden, sicher aber drei Kilometer. Er sei sich ziemlich sicher, dass die neuen Masten überflüssig seien, so Gutbier.

Der Experte riet dazu, mit Fischbach zusammenzuarbeiten und den dortigen Mast aufzurüsten oder auch zu erhöhen. Das reduziere sogar die Exposition der Fischbacher. Sicher in Frage komme zudem ein Ausbau des Königsfelder Mastes.

Kommunen sollten in Kitas WLan und Handynutzung verbieten sowie abschaltende DECT-Telefone fordern. In öffentlichen Verwaltungen solle es kabelgebundene Arbeitsplätze geben. Nötig seien Lehrer-Fortbildung sowie Schüler-Aufklärung und auch hier die Bevorzugung kabelgebundener Lösungen, statt eine ganze Klasse mit Laptops und WLan zu versorgen. Privatleuten riet Gutbier, WLan als Strahlung mit der wohl größten Auswirkung beispielsweise durch eine Nachtabschaltung zu reduzieren.

Mit 60 GHz-Routern störe man Nachbarn nicht. Der alte GSM-Standard funke immer mit höchster Leistung. Besser sei die ausschließliche Nutzung von UMTS und entsprechende Einstellung der Handys. Zunehmender Abstand der Geräte vom Körper reduziere die Exposition erheblich.

Weitere Informationen: www.aufwach-s-en.de www.diagnose-funk.de